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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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Weg ins Haus. Wahrscheinlich müsste man das alte Kutscherhaus abbrennen, damit das mal ein Ende hat. Nun ja, das muss der Herr Riebeck halten, wie er will.“
    „Bis wohin geht denn der Garten?“, fragte ich. „Bis zum Wald?“
    „Bis zur Mauer“, sagte sie. „Das sieht man dann schon. Mauer und Stacheldraht und was weiß ich noch. Bis zur Mauer gehört alles zum Anwesen. Verlauf dich nicht, Fräulein Riebeck.“
    „Ich heiße Vanderen“, sagte ich. „Alicia Vanderen.“
    Eine Mauer und Stacheldraht. Na toll. Reiche Leute lebten gefährlich. Ich hoffte nur, dass Onkel Vincent nicht so paranoid war wie meine Eltern. Vielleicht wurde man so, wenn man schon mal etwas richtig Schreckliches miterlebt hatte, allerdings hatte ich hier noch keine Leibwächter gesehen. Auch keine Kameras, jedenfalls waren mir bis auf eine einzige am Tor zur Straße keine aufgefallen.
    Inga nickte bloß und putzte weiter, und ich freute mich, in mein Zimmer zu kommen und die Tür hinter mir zuzumachen. Die weißen Rosen hatte jemand durch einen frischen Strauß vanillegelber Rosen ersetzt. Der Falter mit den runden Augen war tatschlich weg, das Kissen wieder an seinem angestammten Platz am Kopfende, und mit einem guten Gefühl setzte ich mich aufs Bett und schnappte mir meinen Skizzenblock.
    Die Zeichnung von Sabine geriet nicht gerade vorteilhaft, aber ich fand, dass ich sie gut getroffen hatte mit den schmalen, missbilligenden Lippen und dem falschen Lächeln. Meinen Onkel zu zeichnen war schwieriger. Sobald ich anfing, wollte sein Gesicht sich in das meines Vaters verwandeln, und am Ende hatte ich ein weiteres Bild von Dr. Vanderen, nur jünger und mit einem Grinsen, das einen glauben ließ, ein Außerirdischer hätte Besitz von seinem Körper ergriffen.

    Der Pool befand sich ganz nah am Haus. Er lag versteckt hinter einer Hecke aus Dornen und schlichten wilden Rosen, sodass man ihn von der Terrasse aus nicht sehen konnte. Auch von den Fenstern aus konnte mich niemand beobachten. Das gefiel mir. Ich hatte keine Lust, dass mich eine Armee aus Putzfrauen, Babysittern und Köchinnen belauerte, wenn ich hier meine Runden drehte. Zur einen Seite hin war das Becken durch die Hecke abgeschirmt, zur anderen standen mehrere größere Bäume, der Rasen wurde von üppigen Rosenbeeten unterbrochen, in denen Statuen platziert waren - eine Frau mit einem Krug, eine überdimensionale Vase und ein paar moderne Skulpturen, die was weiß ich darstellten.
    Ich drapierte mein Badetuch auf einer Liege, als wollte ich sie um jeden Preis vor dem immensen Ansturm anderer Badegäste freihalten. Dabei hatte ich noch nie so viel Wasser ganz für mich allein gehabt. Die Tasche und meine Klamotten häufte ich daneben - meinen schwarzen Badeanzug mit den Rüschen hatte ich mir schon oben im Zimmer angezogen - und prüfte mit dem Zeh die Wassertemperatur. Das glasklare Wasser war wunderbar warm von den vergangenen Sommertagen, ein paar kleine rote Blätter schwammen auf der Oberfläche.
    Es war das vollkommene Stillleben, in das ich mit einem wilden Schrei hineinsprang.
    Falls ich heimlich einen Leibwächter hatte, kam er leider nicht herbeigeeilt, um mich heldenhaft zu retten. Die ersten Bahnen verausgabte ich mich ziemlich und stellte einen neuen Rekord auf (einen gefühlten Rekord, um genau zu sein, denn eine Stoppuhr hatte ich nicht dabei), danach zog ich träge ein paar Bahnen und schloss die Augen, weil das Funkeln auf dem Wasser mich blendete. Die Sonne stand schon recht tief und glitzerte zwischen den Ästen. Ein leichter Wind kam auf, und unverhofft war ich glücklich. Glücklich damit, hier zu sein, weit fort von meinem traurigen Vater und meiner unzufriedenen Mutter und der ewigen Streiterei. Ich hatte den ganzen Tag mit Lesen und Zeichnen vertrödelt (und mit Essen, wenn ich ehrlich sein soll), und mich ein wenig im Haus umgesehen, neugierig, wie ich nun mal war. Im Pool zu planschen war der perfekte Abschluss eines vollkommenen Sommertages.
    Aus dem Wald wehten die Stimmen der Vögel herüber, die dort sangen, als wäre das ein Casting und ich die Jury. Sie waren alle weiter, beschloss ich, bis auf einen Vogel, der nichts Besseres als ein lautes, nervtötendes Piepsen zustande brachte.
    Gerade als ich mich über den Beckenrand schwang, bemerkte ich den Fremden, einen jungen Mann mit dunklem Haar und schwarzen Augen, der mich beobachtete. Er saß unter dem größten Baum, im dunkelsten Schatten, und war deshalb nahezu unsichtbar. Trotz der Hitze,
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