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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken
Autoren: Kingsley Amis
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es nicht das Vergnügen, sich damit zu beschäftigen, soweit ich es beurteilen kann.«
    »Meine eigene Erfahrung geht in die gleiche Richtung, Herr Fähnrich.«
    »Es ist wichtig, sich natürlich und spontan zu benehmen, meinen Sie nicht?«
    »Selbstverständlich, Herr Fähnrich.«
    »Wozu sind wir schließlich auf der Welt, wenn nicht, daß wir uns des Lebens erfreuen?«
    »Das kann man sich wirklich fragen, Herr Fähnrich.«
    Alexander wandte sich endlich vom Fenster ab und warf Brevda einen durchdringenden Blick zu. Brevda, bebrillt, mager, unordentlich und von Aknenarben entstellt, hielt dem Blick ruhig stand. Dann lächelten beide gleichzeitig. Alexander sagte munter:
    »Achten Sie darauf, daß das Bad nicht zu heiß ist! Es ist nicht Januar.«
    »Wird gemacht, Herr Fähnrich.«
    Eine Dreiviertelstunde später war Alexander unterwegs zum Abendempfang seines Vaters. Die Ausgehuniform (hellgrauer Rock mit gelben Litzen und vergoldeten Rangabzeichen, gleichfarbene Hose mit einer schmalen goldenen Biese entlang der äußeren Hosennaht) unterstrich seine hübsche Erscheinung auf das Vorteilhafteste. Im Vorraum zum Salon hielt er inne. Hier war die Fensterscheibe, von der seine Mutter gesprochen hatte, einst ein kleines Rechteck aus graviertem und bemaltem Glas, jetzt nur noch ein ungleichmäßiges Dreieck des Originals, eingesetzt in eine ungeschickt gearbeitete Nachahmung der fehlenden Teile. Die erhaltene Glasmalerei zeigte einen Teil der Ostfassade, eingerahmt von den alten Bäumen, die das Schloß früher umgeben hatten. Reste einer Inschrift darüber bezogen sich auf einen … omas Alexander, III. L … Die Bruchstückhaftigkeit dieser Inschrift hatte die Phantasie des gegenwärtigen Alexander beflügelt, der sich ein Vorstellungsbild von seinem Namensvetter aufgebaut hatte, das eine nur geringfügig idealisierte Version seiner selbst war. Manchmal kam ihm der Gedanke, daß er, in denselben Mauern lebend und nach seiner eigenen Einschätzung von sensibler Wesensart, eines Tages ein besonderes, quasi telepathisches Verständnis jener entfernten Gestalt erlangen könnte; tatsächlich fragte er sich oft, was ›Alexander‹ in dieser oder jener Lage empfunden, gedacht oder getan haben würde.
    Nicht so an diesem Abend, einer warmen, stillen Zeit, da die Farben in dem nur langsam aus seiner Verwüstung wiedererstehenden Park verblaßten und ein leiser Hauch kühler Luft über den Teich zum Schloß wehte, ein Lufthauch, der in jener fernen Vergangenheit die Gerüche von Torffeuern und der unberührten Ländlichkeit mitgeführt hätte, einige leicht kenntlich, andere seltsam und verwirrend. Alexander versuchte sie sich vorzustellen, sie zu riechen, doch im gleichen Moment überkam ihn eine köstliche, ablenkende Melancholie; ihm war, als habe er allen Ehrgeizes, aller Kunst, aller natürlichen Schönheit zugunsten einer unerfüllten Liebe entsagt. Er spähte durch das sich verdichtende Dunkel zu der Zypressenallee, die Stirn an der Fensterscheibe, und flüsterte: »Ich bin dein und allein dein, und die Welt soll untergehen, wenn ich einem anderen erlaube, in meine Träume einzudringen, meine allerliebste Verlorene.« Natürlich galten seine Worte keiner bestimmten, existierenden Person, obwohl alle männlichen Personen und alle weiblichen außerhalb einer eng umgrenzten Altersgruppe unüberlegt von seinem Gelübde ausgeschlossen waren. Seine allgemeine Stimmung erschien ihm ernstlich gedrückt und verdüstert, als er den Speisesaal betrat. Gleich darauf aber sah er sich in unerwartet intensive Spekulationen über Frau Korotschenko verstrickt.

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ZWEI
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    Nina hatte Frau Korotschenko ziemlich zutreffend beschrieben, soweit diese Beschreibung gegangen war; darüber hinaus war die Ehefrau des stellvertretenden Direktors der Sicherheitsabteilung von muskulösem Bau, schwarzhaarig und nach der Mode kurz frisiert, und an diesem Abend in ein Kleid aus unbedrucktem Musselin gehüllt, dessen Schnitt den vorerwähnten Busen zur Schau stellte. Außerdem trug sie eine leichte, beigefarbene Stola. Ihr Gemahl, ein untersetzter Mann mit buschigem Schnurrbart und in feierlichem Olivgrün, stand während der Begrüßungen im Salon neben ihr. Letzter in der kurzen Reihe der Gäste war ein gebräunter junger Mann namens Theodor Markow, der nicht älter als dreißig sein konnte, aber bereits deutliche Geheimratsecken zeigte. Er trug einen dunkelblauen Einreiher aus Leinen mit schmalen Hosenaufschlägen.
    »Guten Abend, mein
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