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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken
Autoren: Kingsley Amis
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englische Widerstand nach drei Tagen aufgehört habe, und daß es danach nur noch vereinzelte Widerstandsnester gegeben habe. Völlig richtig und zugleich völlig irreführend. Und Sie sind einer der vielen Irregeführten, die willens oder sogar mehr als willens waren, sich irreführen zu lassen.
    Ja, die Widerstandsnester. Wohin unsere Soldaten kamen, stießen sie auf welche, besonders auf dem Land, obwohl sie auch in den Städten anzutreffen waren. Eines dieser Widerstandsnester befand sich im Dorf Henshaw, nicht weit von hier, wo der nichtsnutzige Alexander eine seiner Liebschaften hatte. Die Engländer lockten unsere Truppen in einen Hinterhalt und schlachteten eineinhalb Kompanien mit erbeuteten Waffen ab, bevor sie liquidiert wurden. Nur wenige ihrer Soldaten waren beteiligt. Die meisten waren Zivilisten, junge Leute, auch Frauen darunter. Sie ergaben sich nicht, selbst als die Häuser, in denen sie sich zuletzt verschanzt hatten, in Brand geschossen waren. Wir haben hinterher den Mantel des Schweigens über all diese Vorgänge gebreitet. Es hätte der Moral und der Verständigungsbereitschaft beider Seiten geschadet. Natürlich konnte man nicht alles vertuschen.«
    »Die Engländer müssen erschreckende Verluste erlitten haben.«
    »Ja, erschreckend in der Tat. Es war früher gesagt worden, daß sie verweichlicht seien. Wenn das der Fall war, dann würde ich gerne wissen, wie sie vorher waren. Sie machten weiter, nachdem sie verloren hatten, nachdem sie wußten, daß sie geschlagen waren. Warum, in Gottes Namen? Nun, das gehört zu den Dingen, die wir nie erfahren werden. Und es ging weiter. Da gab es eine Siegesparade durch die Straßen von Liverpool, und eine Frau mittleren Alters zog ein Schnitzmesser aus der Handtasche und stieß es dem Mann, der zur Rechten meines Vaters marschierte, ins Herz. Eine Sekunde später war sie tot, aber er auch. Vielleicht hatte es mit dem Tod ihrer Königin zu tun. Es war ein Unfall, aber kein Mensch glaubte daran. Sie war ein überlebtes feudales Relikt, aber die wenigen Engländer, die das damals zu sagen wagten, wurden von ihren Landsleuten einer Umerziehung unterworfen, die in den meisten Fällen tödlich ausging.«
    Eine Pause trat ein. Der hellhaarige Mann schaute interessiert zum Fenster hinaus. Theodor kratzte sich die Achselhöhle, wartete einen Moment und sagte:
    »Könnte ich bitte was zu trinken haben?«
    »Gewiß nicht«, sagte Vanag, aber diesmal ohne Schärfe. »Auch keine Zigarette. Sie vergessen, was und wo Sie sind. Überhaupt, ist es nicht ziemlich früh für einen Trunk? Wie auch immer, es gab Unordnung hier, galoppierende Inflation, Massenarbeitslosigkeit, Streiks, Streikunterdrückung, Aufruhr, dann noch schlimmeren Aufruhr, als eine linke Gruppe die Macht ergriff. Für uns war es die Chance zur Übernahme eines Landes, ohne dessen Besitz die Herrschaft über Europa immer eine halbe Sache geblieben wäre. Naturgemäß gab es anfangs ernste Schwierigkeiten, so daß bereits daran gedacht wurde, einen Teilrückzug zur Umgruppierung einzuleiten.«
    »Wie verhielten sich die Amerikaner?«
    Darauf brach Vanag wieder in sein fröhliches Gelächter aus, das nach einer guten Weile in erheitertem Glucksen und Schnauben erstarb. Dann änderte sich sein Benehmen abermals. Er musterte Theodor mit unfreundlichem Blick und ließ eine weitere Pause verstreichen, bevor er fortfuhr:
    »Dies alles war Ihnen neu. Aber wenn Sie wirklich interessiert gewesen wären, hätten Sie es erfahren können. Etwas über die Nation, für die Sie töten und notfalls auch sterben wollten.«
    »Sie haben es unsereinem nicht gerade leicht gemacht, etwas darüber zu erfahren.«
    »Sehr richtig, Markow; wir machten es euch nicht gerade leicht. Wir machten es sogar äußerst schwierig. Aber das ist auch alles. Niemand kann die Wahrheit so tief vergraben, daß sie unauffindbar bleibt, ich weiß das am besten. Man kann allenfalls die Leute überzeugen, daß es keinen Sinn hat, danach zu suchen. Der vielseitige Alexander Petrowsky glaubte auch, er interessiere sich für die Engländer, und in einer Weise tat er es wirklich – jedenfalls galt das für die Engländerinnen, von denen er nicht wenige aufs Kreuz legte. Er war mit diesem alten Geistlichen bekannt, Glover, der die sinnlose und gescheiterte Kirchenzeremonie in Ihrem Festival leitete. Sie sind wirklich seltsame Leute. Nun, dieser Glover wäre eine recht brauchbare Informationsquelle über die Pazifizierung und die vorausgegangenen
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