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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken
Autoren: Kingsley Amis
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Aufgabengebietes Oxford als Verwaltungssitz erhalten soll. Sie können sich denken, welch eine Freude das für mich ist. Dort gibt es noch Colleges, müssen Sie wissen. Das heißt, die Gebäude. Sehr kultiviert. Aber Sie werden das bitte nicht überall ausplaudern, nicht wahr? Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Vanag gab den Wachen das Zeichen zum Räumen des Saales, aber Theodor hatte Zeit, in einer bittenden Geste die Hand zu heben. Vanag nickte und gab dem nächstbesten Wächter einen Wink. Dumpfe Schläge und einzelne Schreie wurden laut, als dem Publikum aus dem Vorlesungssaal geholfen wurde.
    Theodor sah sich von den anderen Gefangenen getrennt. Der von Vanag beauftragte Wärter, klein, aber breit und kräftig, mit einem flachen mongolischen Gesicht, packte ihn am Oberarm und stieß ihn zum Treppenhaus. Dabei stieß und zog er ihn hin und her, so daß Theodor ständig taumelte und stolperte und den Anschein von Widerstand gab, obwohl er keinen leistete. In der gleichen Art und Weise wurde er in den Aufzug und wieder heraus befördert, obgleich er in beiden Fällen durchaus bereit war zu tun, was von ihm verlangt wurde. Als er das sagen wollte, wurde er hart und fachmännisch zweimal ins Gesicht geschlagen, Vorhand und Rückhand. Er hätte es inzwischen besser wissen müssen, nach drei Tagen in Gewahrsam. Nun, früher oder später würde er es lernen, daran war nicht zu zweifeln. Es kam darauf an, ihn niemals auch nur für einen Augenblick vergessen zu lassen, daß er ein Gefangener war. Auch das würde er lernen.
    Im unteren Geschoß wurde er einen breiten Korridor entlang gestoßen und gezerrt und schließlich mit solcher Gewalt in einen anstoßenden Raum geschleudert, daß er beinahe gestürzt wäre. Es war ein kleiner Raum, sparsam möbliert und nahezu kahl: nichts an den Wänden, keine Schränke, keine Akten, keine Papiere, nur ein offener Notizblock und Bleistift auf dem Schreibtisch, hinter dem Vanag saß. Die einzigen anderen Gegenstände auf dem Schreibtisch waren eine Gegensprechanlage, ein Telefon mit Schaltern und ein Glas, das Fruchtsaft enthalten hatte – Zitronensaft, wie Theodor sich erinnerte. Anwesend war außerdem ein blonder Mann von ungefähr dreißig Jahren und in Zivilkleidung, der hinter einem völlig leeren und rechtwinklig zum Schreibtisch aufgestellten Tisch saß. Er sagte nichts und machte während des folgenden Gesprächs keine Bewegung. Theodor hatte keine Ahnung, wozu der Mann da war.
    Als keiner der beiden sprach, fragte er, ob er sich setzen dürfe.
    Vanag schaute ihn an. Sein Benehmen hatte einiges von der Liebenswürdigkeit eingebüßt, die seine Ansprache oben im Vorlesungssaal ausgezeichnet hatte. »Ja, gut«, sagte er nach einem Moment. »Also, was wollen Sie?«
    »Nina Petrowsky«, sagte Theodor, nachdem er sich auf einem hölzernen Klappstuhl niedergelassen hatte. »Können Sie mir sagen, wo sie ist? Sie scheint in keiner der Zellen hier zu sein.«
    »Selbstverständlich weiß ich, wo sie ist; ich weiß, wo jeder ist. Sie befindet sich im Krankenhaus, wird dort aber nicht lange bleiben. Nur eine kleine Gehirnerschütterung. Nichts Ernstliches.«
    »Wie?«
    »Sie widersetzte sich der Festnahme.«
    »Aber was könnte sie tun? Sie ist nur ein Mädchen.«
    »Vielleicht nicht mehr als verbal.«
    »Darf ich sie sehen?«
    »Nein, Sie dürfen nicht«, sagte Vanag streng. »Glauben Sie, ich habe Leute für dergleichen frivole Botendienste überzählig? Es gibt noch immer eine Menge Arbeit zu bewältigen.«
    »Werde ich sie wiedersehen?«
    »Es ist möglich; es ist aber eher unwahrscheinlich. Ihr Transport kann jeden Tag abgehen. Gibt es sonst noch etwas?«
    »Wie kam ihr Bruder ums Leben?«
    »Er wurde von einem seiner eigenen Leute erschossen, als er im Begriff war, seinen Vater zu erschießen.«
    »Ach.« Theodor überlegte. »Wie kam es, daß der Mann so rechtzeitig zur Stelle war? Aber das ist nicht wichtig; wo war Ihr Mann zu der Zeit? Oder …«
    Der andere nickte kurz. »Da haben Sie recht«, sagte er. »Unser Mann schnarchte auf seinem Bett, und die Schau weckte ihn auf. Er hatte nur drei von den Dienern unter seinem Befehl und erwartete nicht, daß bis zum nächsten Tag etwas geschehen würde. Wie alle anderen bin auch ich nur so gut wie die Leute, die man mir schickt.«
    »Wer ist er?«
    »Nein. Es gibt einige Regeln, die ich niemals verletze.«
    »Wer immer er war, wie wird diese Episode in Ihrem Bericht aussehen?«
    »Sehr verschieden davon, wie sie sich
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