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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken
Autoren: Kingsley Amis
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Ereignisse gewesen, und Alexander hätte Sie leicht mit ihm bekanntmachen können, wenn Sie den Wunsch geäußert hätten, aber Sie taten es nicht. Das ist das Dumme mit der Ignoranz; sie verteidigt sich bis zum Tode gegen das Wissen. Hinter ihr liegt das absolute Fehlen von Wißbegier. Intelligenz ist für Leute in Ihrer Situation keine Hilfe. Ein Mann kann sich nicht intelligent verhalten, wenn er nichts versteht.
    Lassen Sie mich eine letzte Frage stellen: Glaubten Sie wirklich daran, das Land den Engländern zu übergeben, sobald die Verhältnisse es erlaubten? Sie brauchen darauf keine Antwort zu geben. Natürlich haben Sie sich niemals den Kopf darüber zerbrochen, wie dies geschehen sollte, und welchen Engländern, und was dergleichen schwierige Fragen mehr sind. Aber diese Fragen stellten und stellen sich glücklicherweise nur theoretisch, nämlich wenn wir es vorziehen, von einer echten Konterrevolution zu sprechen, und nicht von der größten Sicherheitsoperation der letzten fünfzig Jahre. Es ist gut, daß Sie dies wissen, damit Sie nicht etwa einem unangebrachten Stolz verhaftet bleiben. Ja, Gruppe 31 war das geistige Kind eines unserer Leute in Moskau. Es ging darum, die unzufriedenen, unzuverlässigen und opportunistischen Elemente aus dem Untergrund hervorzulocken, ihren Zusammenschluß zu fördern, ihre verbrecherischen Pläne reifen zu lassen und zuzugreifen, sobald sie daran gingen, sie in die Tat umzusetzen. Selektiver als eine allgemeine Säuberung, ausgezeichnete Übung für die Organisation, verstärkter Abschreckungseffekt: Wer sich einer subversiven Bewegung anschließt, wird gefaßt und seiner gerechten Bestrafung zugeführt, und wenn jemand versucht, unzufriedene Elemente für eine solche Bewegung zu gewinnen, dann ist er wahrscheinlich ein Geheimpolizist. Ich bin neugierig, wie diese Taktik sich in der Anfang kommenden Jahres für Polen geplanten Operation bewähren wird. Nun, ich rate Ihnen, Ihren Kollegen nichts davon zu erzählen, es sei denn, Sie legen Wert auf einen gebrochenen Hals. Einige von Ihren Mithäftlingen sind nicht so umgänglich wie Sie.«
    Vanag hatte die vor ihm auf dem Schreibtisch ruhenden Hände nicht bewegt, aber sobald er geendet hatte, wurde an die Tür geklopft, und der Wärter kam herein. Theodor sagte hastig:
    »Ich war gegen diese Tötungen, wissen Sie.«
    »Ich glaube, Sie waren ganz dafür, daß Alexander Petrowsky seinen Vater ermorden sollte. Ich bezweifle, daß in Ihrem Gerichtsverfahren Raum für die Berücksichtigung solch fadenscheiniger Einlassungen sein wird. Es hilft nicht, wenn Sie sich jetzt als den netten jungen Mann hinstellen wollen, Sie armseliger kleiner Tropf.«
    Er nickte dem Wärter zu, der Theodor am Arm hochriß, obwohl dieser bereits im Aufstehen begriffen war. Im Korridor, hin und hergestoßen, überlegte er dumpf, ob dies wirklich derselbe Mann sei, der ihn zu Vanag gebracht hatte; er schien ein wenig größer, weniger breit. Aber ob er nun derselbe war oder nicht, er war vom gleichen Schlag, ein Mann, der alle ihm Anvertrauten mit gleichgültiger, unaufmerksamer Brutalität behandelte, nicht eigentlich grausam, aber von einer gefühllosen Erbarmungslosigkeit, ein Typ, der von Anbeginn der Zivilisation immer irgendwo in der Welt gebraucht worden war. Dieser Vertreter des bewußten Typs spuckte Theodor beiläufig ins Gesicht, als sie im Aufzug standen, und stieß ihn mit solcher Wucht in seine Zelle, daß er gegen die Wand flog und sich eine schmerzhafte Schulterprellung zuzog.
    Die Zelle war nicht größer als acht Quadratmeter, da sie aber nur achtunddreißig Personen enthielt, war wenigstens Raum, daß jeder sich niedersetzen konnte. Da Theodor als letzter eintraf, mußte er mit einem Platz bei den Fäkalieneimern vorliebnehmen. Er hatte erwartet, daß man ihn fragen werde – vielleicht sogar mitfühlend fragen würde –, was mit ihm geschehen sei, aber niemand blickte auch nur auf. Er umschloß die angezogenen Knie mit den Armen und rückte auf dem Steinboden herum; es war schwierig, eine nicht unbequeme Position zu finden. Wenigstens war die Zelle trocken und ausreichend belüftet. Allmählich kehrten seine Gedanken zurück zum letzen Teil seines Gesprächs mit Vanag. Als er auf die Frage, ob er geglaubt habe, daß eine Absicht bestanden habe, England den Engländern zurückzugeben, nicht geantwortet hatte, war dies nicht geschehen, weil er sich selbst oder andere nicht verraten wollte; er hatte einfach vergessen, was er geglaubt
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