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Das Auge der Ueberwelt

Das Auge der Ueberwelt

Titel: Das Auge der Ueberwelt
Autoren: Jack Vance
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Smolod mit Nahrungsmitteln zu versorgen, bis einer von uns stirbt, was gelegentlich vorkommt.«
    »Ich hörte, daß ein gewisser Herr Radkuth Vomin leidend sei.«
    »Ja, so ist es.« Der andere zeigte auf einen dickbäuchigen alten Mann, der vor seiner Hütte im Schmutz saß. »Ihr seht ihn dort im Lustgarten seines Schlosses der Ruhe pflegen. Der edle Herr Radkuth überanstrengte sich in einem Übermaß an Lust und erlitt einen Schlaganfall.«
    »Vielleicht ließen sich besondere Vereinbarungen treffen, daß seine magischen Halbkugeln mit seinem Ableben in meinen Besitz übergehen?« sagte Cugel.
    »Ich fürchte, das ist nicht möglich. Ihr müßt nach Grodz gehen und wie die anderen arbeiten. Wie auch ich in einer früheren Existenz gearbeitet habe, die mir jetzt fern und unwirklich erscheint ... Ihr seid jung, Fremder: dreißig oder vierzig Jahre sind keine zu lange Wartezeit.«
    Cugel legte die Hand an seine Seite, um Firx zu beruhigen. »Im Laufe einer so langen Zeitspanne könnte die Sonne gänzlich erlöschen. Sehen Sie!« Er zeigte hinauf, als ein dunkles Flackern über die Sonnenscheibe ging und eine momentane Verfinsterung bewirkte. »Schon jetzt läßt ihr Licht nach!«
    »Ihr seid überängstlich«, erwiderte der andere. »Für uns Herren von Smolod verströmt die Sonne eine Fülle farbenprächtiger Strahlen.«
    »Dies mag gegenwärtig zutreffen«, sagte Cugel, »doch wenn die Sonne dunkel wird, was dann? Werden Sie der Dunkelheit und Kälte ebensoviel Freude abgewinnen?«
    Aber der Mann beachtete ihn nicht länger. Radkuth Vomin war seitwärts in den Schlamm gefallen und schien tot zu sein.
    Cugel ging hinüber und spielte unschlüssig mit seinem Messer, während er den Toten betrachtete. Ein paar schnelle Schnitte – nicht mehr als das Werk eines Augenblicks –, und er würde sein Ziel erreicht haben. Er wollte vorspringen, aber schon war der passende Moment vorbei. Andere Dorfbewohner trafen ein und stießen Cugel beiseite; Radkuth Vomin wurde aufgehoben und in seine baufällige Hütte getragen.
    Cugel starrte sehnsüchtig durch die Türöffnung und versuchte, die Aussichten dieser oder jener List zu berechnen.
    »Laßt Lampen bringen!« befahl der alte Mann, mit dem Cugel zuvor gesprochen hatte. »Laßt uns Herrn Radkuth ein letztes Mal mit dem festlichen Glanz umgeben, den er sosehr liebte! Laßt von den Türmen die goldenen Fanfaren erschallen; laßt die Prinzessinnen samtene Roben anlegen! Und nun müssen wir die Totenwache halten. Wer wird unserem toten Freund die Ehre erweisen?«
    Cugel trat vor. »Ich würde es als eine besondere Ehre ...«
    Der andere schüttelte den Kopf. »Dies ist ein Privileg, das Ebenbürtigen vorbehalten bleiben muß. Herr Maulfag, Herr Glus: vielleicht wollt Ihr unserem edlen Freund die Ehre geben.« Zwei von den Dorfbewohnern traten zu der gebrechlichen Bank, auf der Radkuth Vomin lag.
    »Als nächstes«, fuhr der alte Mann fort, »muß das Leichenbegängnis vorbereitet und die magischen Halbkugeln auf Bubach Angh übertragen werden, jenen verdienstvollen Gutsbesitzer aus Grodz. Wer wird gehen und ihn benachrichtigen?«
    »Wieder biete ich meine Dienste an«, sagte Cugel, »wenn auch nur, um mich für die Gastfreundschaft erkenntlich zu zeigen, die mir in Smolod zuteil geworden ist.«
    »Gut gesprochen!« erwiderte der Alte. »So geht denn nach Grodz und bringt jenen edlen Herrn, der durch treue Pflichterfüllung Beförderung verdient hat.«
    Cugel verneigte sich und eilte nach Grodz. Als er sich den Feldern näherte, bewegte er sich vorsichtiger, schlich von Grasbüschel zu Strauch und fand bald, was er suchte: einen Bauern, der die feuchte Erde mit einer Hacke lockerte.
    Cugel schlug den Nichtsahnenden mit einer knorrigen Wurzel nieder. Er beraubte den Mann seiner Bastkleider, des ledernen Hutes, der Beinlinge und Schuhe. Mit dem Messer schnitt er ihm den steifen, strohfarbenen Bart ab. Beladen mit der Beute und den Bauern nackt zwischen den lehmigen Erdbrocken zurücklassend, eilte er zurück nach Smolod. An einer geschützten Stelle zog er sich die gestohlenen Kleider an, band die abgeschnittenen Barthaare büschelweise zusammen und verfertigte so einen etwas ungleichmäßig aussehenden falschen Bart für sich selbst. Dann zog er den ledernen Schlapphut tief in die Stirn und machte sich auf den Weg nach Smolod.
    Inzwischen war es fast dunkel geworden. Öllampen flackerten vor Radkuth Vomins Hütte, wo die fettleibigen Frauen des Dorfes jammerten und
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