Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Atmen der Bestie (German Edition)

Das Atmen der Bestie (German Edition)

Titel: Das Atmen der Bestie (German Edition)
Autoren: Graham Masterton
Vom Netzwerk:
... Weißt du, sie gehen umher, tragen den Kopf unterm Arm, rasseln mit ihren Ketten, mehr aber auch nicht.«
    Ich ging zum Fenster und sah hinab auf die Autos, die über die Golden Gate Bridge fuhren. Der Nebel war in die Höhe gestiegen, doch ein letzter Schleier schmiegte sich noch um die Pfeiler der Brücke und gab dem Bild etwas Verschmiertes, wie bei einem Aquarell.
    »Heute Abend werde ich nochmals ins Haus gehen«, sagte ich. »Ich möchte mir alles wirklich genau anschauen und herausbekommen, was da passiert. Bryan Corder von der Technischen Abteilung wird mitkommen. Ich habe heute Morgen mit ihm gesprochen und er vermutet, dass eine Fallströmung dahintersteckt.«
    Als ich mich umdrehte, schien Dan gar nicht zugehört zu haben. Er saß aufrecht im Bett und starrte geistesabwesend durch das Zimmer; sein Unterkiefer war heruntergefallen.
    »Dan? … Hast du mir zugehört?«
    Er blinzelte mich an.
    »Dan?«
    Ich ging schnell zum Bett hinüber und nahm seinen Arm.
    »Dan, ist alles in Ordnung? Du siehst wirklich krank aus.«
    Er leckte über seine Lippen, als seien sie sehr trocken.
    »Klar«, sagte er unsicher. »Ich bin okay. Ich glaube, ich brauche nur etwas Ruhe, das ist alles. Seit ich aus der Betäubung erwacht bin, habe ich nicht besonders geschlafen. Ich hatte ständig Träume.«
    »Warum bittest du die Krankenschwester nicht um eine Schlaftablette?«
    »Ich weiß nicht. Es waren ja nur diese Träume.«
    Ich setzte mich wieder und sah ihn aufmerksam an. »Was denn für Träume? Albträume?«
    Dan nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Nein, nein, keine Albträume. Ich meine, sie waren etwas unheimlich, doch sie haben mir keine Angst verursacht. Ich habe von dem Türklopfer geträumt, du weißt doch, dem am Haus des alten Wallis. Aber er war weit mehr als ein Türklopfer. Ich habe geträumt, dass er zwar an der Tür hing, aber trotzdem mit mir sprach. Anstatt aus Metall war er aus echtem Haar und Fleisch, und er hat zu mir gesprochen … wollte mir etwas mit dieser ruhigen, flüsternden Stimme erklären.«
    »Was hat er gesagt? Dass man im Wald kein Feuer anzünden soll?«
    Dan schien gar nicht zu bemerken, dass ich das als Scherz gemeint hatte, denn er schüttelte ernst den Kopf.
    »Er sagte, ich solle irgendwo hingehen und dort etwas suchen, aber ich habe nicht verstanden, was es ist. Er erklärte es wieder und wieder, aber ich verstand es einfach nicht. Es hatte etwas mit dem Bären auf dem Geländer von Mr. Wallis’ Wendeltreppe zu tun, du erinnerst dich sicher, die kleine Bärenfigur mit dem Gesicht einer Frau. Aber ich begriff den Zusammenhang nicht.«
    Ich betrachtete Dans blasses Gesicht eine Weile nachdenklich, bis ich lächelte und freundschaftlich seine Hand drückte. »Weißt du, woran du leidest, Dan, mein alter Freund? Post-Geist-Delirium. Das ist eine Art übersinnliche postnatale Depression. Du musst dich jetzt einige Tage ausruhen, dann wirst du dich überhaupt nicht mehr daran erinnern, was dich eigentlich so bedrückt hat.«
    Dan zog eine Grimasse. Er schien mir nicht recht zu glauben.
    »Hör zu«, sagte ich, »wir werden heute Abend das Haus durchsuchen und was dich auch immer umgeworfen hat, wir werden es finden. Und nicht nur das – wir werden es auch lebend mitbringen, damit du es in deinem Labor in einem Einmachglas aufbewahren kannst.«
    Dan versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht wirklich. »Okay«, erwiderte er leise. »Tu, was du willst.«
    Ich saß noch einige Minuten bei ihm, aber Dan schien keine Lust auf ein weiteres Gespräch zu haben. Also drückte ich ihm noch einmal freundschaftlich die Hand.
    »Ich schaue morgen noch mal vorbei. Etwa um dieselbe Zeit.«
    Dan nickte, ohne aufzusehen.
    Ich ließ ihn alleine und trat auf den Krankenhausflur.
    Ein Arzt wollte gerade in Dans Zimmer. Als er mich beim Öffnen der Tür streifte, fragte ich: »Herr Doktor?«
    Der Arzt schaute mich ungeduldig an. Er war ein kleiner Mann mit sandfarbenem Haar, spitzer Nase und unter seinen Augen hingen rotblaue Tränensäcke wie die Rüschen eines altmodischen Theatervorhangs. Ein Namensschild auf dem Jackenaufschlag wies ihn als Doktor James T. Jarvis aus.
    Ich nickte in Richtung von Dans Zimmer. »Ich möchte mich nicht aufdrängen. Ich bin nur ein Freund von Mr. Machin, kein Verwandter oder so. Aber ich möchte gerne wissen, ob er okay ist. Ich meine, er erscheint mir heute ziemlich eigenartig.«
    »Was meinen Sie mit eigenartig?«
    »Na, sie kennen das sicher. Er ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher