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Das Atmen der Bestie (German Edition)

Das Atmen der Bestie (German Edition)

Titel: Das Atmen der Bestie (German Edition)
Autoren: Graham Masterton
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kam, war da niemand, der ein Bad nahm, kein Wasser in der Wanne, nichts. Hotels werden gerne von Geistern heimgesucht.«
    »Bestimmt, und das Gesundheitsamt gerne von Märchenerzählern.«
    In diesem Moment betrat Wallis den Raum mit einem angelaufenen Silbertablett, auf dem eine Whiskykaraffe und drei Gläser standen. Er setzte es auf den Tisch und schenkte uns die Gläser großzügig voll. Danach nahm er auf seinem Stuhl Platz und nippte an dem Scotch, als prüfe er ihn, ob er vergiftet sei. Draußen in der Halle schlug eine Uhr, die ich vorher nicht gesehen hatte, zehnmal an: Bommm …
    Bommm … Bommm … Bommm …
    »Haben Sie etwas Eis, Mr. Wallis?«, fragte Dan.
    Wallis schaute ihn verwirrt an, schüttelte dann den Kopf, »Tut mir leid. Der Eisschrank ist kaputt. Ich wollte ihn schon längst reparieren lassen, aber meistens esse ich auswärts, deshalb war es eigentlich noch nicht nötig.«
    Dan hob sein Glas. »Also, dann auf das Atmen, wer immer es verursacht.«
    Ich trank den warmen puren Scotch und verzog das Gesicht.
    Wir warteten schweigend fast zehn Minuten. Es ist erstaunlich, wie viele Geräusche man macht, wenn man Whisky in völliger Stille trinkt. Nach einer Weile konnte ich das Ticken der Uhr draußen in der Vorhalle hören, sogar noch das entfernte Murmeln des Verkehrs auf der Mission Street. Und da war noch das Rauschen meines eigenen Blutes, das durch meine Gehörgänge zirkulierte.
    Wallis unterdrückte ein Husten: »Noch etwas Whisky?«
    Dan hielt sein Glas hin, aber ich sagte: »Falls ich noch mehr trinke, dann höre ich Glocken, aber kein Atmen.«
    Wir lehnten uns wieder zurück und das Holz der Stuhllehnen knackte unangenehm.
    Dan fragte: »Wissen Sie etwas über die Geschichte des Hauses, Mr. Wallis? Irgendetwas, was helfen könnte, diesem geheimnisvollen Atmer auf die Spur zu kommen?«
    Seymour Wallis rückte nervös einige Sachen auf seinem Schreibtisch zurecht – Stifte, Brieföffner, Terminkalender – und schaute Dan mit demselben mutlosen Gesicht an, das er auch gemacht hatte, als er in mein Büro getreten war.
    »Ich habe die Grundbucheinträge durchgesehen – sie reichen zurück bis ins Jahr 1885, als man das Haus gebaut hat. Der erste Besitzer war ein Samenhändler, danach hat es ein Schiffskapitän gekauft. Aber hier geschah nichts Ungewöhnliches. Kein Mord oder so etwas.«
    Dan trank noch etwas Whisky. »Vielleicht hält sich der Atmer hier auf, weil er in diesem Haus glücklich war. Das passiert manchmal. Ein Geist spukt in einem Haus und versucht, sein altes Glück zu wiederholen.«
    »Ein glücklicher Atmer?«, fragte ich skeptisch.
    »Genau«, verteidigte sich Dan. »So etwas hat es schon gegeben.«
    Wir schwiegen wieder. Dan und ich saßen ganz ruhig da, aber Seymour Wallis zappelte ein wenig und kratzte sich voller Unruhe. Die Uhr schlug die halbe Stunde und wir warteten weiter und hörten immer noch nichts. Das Schweigen des Hauses umgab uns und wurde durch keinen Laut gestört – in diesem Gebäude lebten seit mehr als hundert Jahren Menschen, doch nun stand es bewegungslos und still, kein Fensterladen rührte sich.
    Ich stellte mein Whiskyglas auf eine Ecke von Seymour Wallis’ Schreibtisch. Er sah kurz auf und ich lächelte, aber er schaute zur Seite und biss sich auf die Lippen. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen, dass es heute Abend nicht atmete und wir glauben würden, dass er entweder ein Lügner oder völlig verrückt sei.
    Jetzt machte Dan: »Psssscht.«
    Ich erstarrte und lauschte. »Ich höre nichts.«
    Wallis hob seine Hand. »Es ist zuerst immer sehr leise, doch es wird dann lauter. Hören Sie.«
    Ich spitzte meine Ohren. Man vernahm immer noch das Ticken der Uhr in der Halle, immer noch das Geräusch des Verkehrs. Aber da war noch etwas anderes, ja, so leise, dass wir angestrengt die Stirn krausten, als wir versuchten, es zu hören.
    Zuerst klang es wie ein leises Flüstern, als wehe der Wind ein Stück Seide durch den Raum. Aber nach und nach wurde es lauter. Ich konnte nur noch Dan anschauen, um festzustellen, ob er auch hörte, was ich hörte, um sicher zu sein, dass es keine Selbsttäuschung war oder durch einen Luftzug verursachte Geräusche.
    Es atmete. Langsames, tiefes Atmen, wie das Atmen eines Schlafenden. Es atmete ein und aus, ein und aus, als würden die Lungen endlos gefüllt und geleert – das Atmen von jemandem, der schlief und schlief und niemals den Morgen erleben sollte.
    Jetzt verstand ich, warum Seymour Wallis Angst hatte. Dieses
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