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Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)

Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)

Titel: Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Autoren: Patricia Coughlin
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versagen.
    Und ich weigerte mich zu versagen.
    Dein Ziel, erinnerte ich mich wieder und wieder, nur das Ziel zählt.
    Die Realität beugt sich dem Wunsch.
    Das war letztendlich, worum es ging: sechs einfache Worte, die das zeitlose Geheimnis im Kern der Macht einer Zauberin umschließen. Gran hatte mir erklärt, ich solle es als Portal sehen, das sich in mir öffnen würde, wenn Herz und Kopf und Moment harmonierten. Ich hatte nur ein winzig kleines Problem mit dieser Vorstellung: Ich hatte nur wenig Zeit. Wenn man davon ausging, dass wirklich eine Rose blühte, musste ich sie pflücken, in das Turmzimmer gehen, wo Chloe und Gran auf mich warten würden, den Zauber beschwören – mit der makellosen Einstellung, dem Gesang und der nötigen Konzentration – und danach das Haus lüften und jedes möglicherweise verräterische Beweismittel beseitigen, bevor meine Eltern nach Hause kamen.
    Ich stand auf dem frostüberzogenen Kiesweg, der zum Rosengarten führte, atmete tief durch und kämpfte damit, meinen Geist zu leeren und den Schnee zu ignorieren, der zwischen meinen Zehen schmolz. Jetzt lag es an mir. Wenn etwas geschehen würde, dann weil ich es herbeigeführt hatte, weil ich es wollte und es stark genug wollte, um es wahr werden zu lassen.
    »Die Realität beugt sich dem Wunsch. Die Realität beugt sich dem Wunsch.«
    Ich sprach die Worte laut aus, langsam und deutlich und mit klappernden Zähnen. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie sich meine Gedanken wie in einem Trichter sammelten. Dann richtete ich sie auf den Weg, der vor mir lag. Als ich die Augen wieder öffnete, war der Schnee immer noch da, doch das Gefühl der Kälte war verschwunden. Ich trat einen Schritt vor und der Boden unter meinen Füßen fühlte sich warm an. Mir war warm.
    Die Realität beugt sich dem Wunsch.
    Es war wahr! Diese erstaunliche Erkenntnis trieb mich vor-an, am zugefrorenen Froschteich und den abgedeckten Beeten mit Fingerhut und wilder Minze vorbei. Ich trug eine weiße Kerze, die nach Korianderöl duftete und von dem unendlichen Knoten umgeben war, den ich an diesem Nachmittag gewoben hatte.
    Ich wusste, dass der Knoten perfekt war. Und genau wie an dem Tag, als ich den Zauberspruch entdeckt hatte, wusste ich, dass die Rose auf mich wartete, bevor ich sie sah. Sie leuchtete sanft wie der fahle Mond, der plötzlich direkt über mir durch die Wolken schien.
    An meiner Seite hing ein doppelschneidiger Zeremoniendolch mit silbernem Griff, ein Familienerbstück, das ich benutzte, um den Stiel mit einem Schnitt zu durchtrennen, so mühelos, als hätte ich es schon Tausende Male getan. Und in diesem Moment fühlte ich sie zum ersten Mal: die Macht. Reine, berauschende Macht, und sie gehörte mir. Ich konnte sie hören, riechen, schmecken.
    Die Zeit floss weiter, trug mich die Treppen hinauf in das von Kerzen erleuchtete Turmzimmer, wo ich mit derselben Mühelosigkeit und Grazie den heiligen Kreis errichtete und tat, worauf ich so lange gewartet hatte, wovon ich geträumt hatte, wozu ich geboren war.

    Feuer, Wasser, Erde, Wind
    Das Ende zum Anfang, der Anfang zum End,

    An diesem Ort, zu dieser Stunde
    Eure Macht ich hier bekunde.

    Mit Winterrose und Kerzenlicht
    suche ich Herzenswunsch und reine Sicht,

    Blütenblätter fallen, der Zauber hebt an,
    Ich wünsche es, es sei getan.

    Und dort ist meine Erinnerung zu Ende. Alles ist schwarz. Ich weiß, dass ich den Zauber gesprochen und eine Vision in den Flammen gesehen habe. Ich weiß, dass meine Eltern früher als erwartet nach Hause kamen und dass Gran und Chloe und ich uns beeilten, um unsere Spuren zu beseitigen und in unsere Betten zu schlüpfen, bevor sie das Haus betraten. Das weiß ich alles, weil man es mir erzählt hat. Aber ich erinnere mich nicht daran. Was für Erinnerungen ich auch immer hatte, sie sind verschwunden, in Flammen aufgegangen durch das, was danach geschah.
    Selbstschutz? Oder Schuldgefühle? Vielleicht. Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins: Wenn mein Leben ein Buch wäre, hätte diese ferne Nacht das Kapitel »Unschuld« beendet.

Eins
    Januar
    E r parkte im Schatten zwischen zwei Laternen und stieg aus. Er trug das Übliche: schwarze Lederhandschuhe, einen schwarzen Kaschmirmantel und einen finsteren Gesichtsausdruck. Dieser Blick, wachsam und kalt, konnte alles zwischen leidenschaftslos und dämonisch bedeuten. An einem anderen Mann hätte er vielleicht nicht so hoheitsvoll abweisend gewirkt, aber Gabriel Hazard war nicht wie
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