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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel
Autoren: Garth Nix
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rief Touchstone und zerrte mit den Scouts an den Seilen. »Ziehen!«
    Langsam glitt der Sarkophag über die alten Pflastersteine und näherte sich Zoll um Zoll den Eingangsstufen, wo andere Soldaten dabei waren, eine Holzrampe zusammenzunageln, die über die Treppe passte.
    Sabriel beschloss, Touchstone seiner Aufgabe zu überlassen, und schritt die Einfahrt ein Stück hinunter zu der Stelle, wo sie durchs Außentor blicken konnte. Ihre Hände strichen nervös über die Glockengriffe. Jetzt waren es lediglich noch sechs Glocken – wahrscheinlich alle wirkungslos gegen Kerrigors ungeheure Kräfte. Und dazu hatte sie nur einen Degen, der ihr fremd war, auch wenn der Mauermacher selbst ihn geschmiedet hatte.
    Der Mauermacher. Das erinnerte sie an Mogget. Wer wusste schon, was er gewesen war, diese seltsame Verbindung eines reizbaren Gefährten der Abhorsen und einer feurigen Schöpfung Freier Magie, die geschworen hatte, sie alle zu töten. Er war verschwunden, hinweggerissen vom zwingenden Ruf Astaraels…
    Als ich hier fortging, wusste ich so gut wie nichts über das Alte Königreich, und nun, da ich zurück bin, weiß ich nicht viel mehr, dachte Sabriel. Ich bin die unwissendste Abhorsen seit Jahrhunderten, und vielleicht eine der am ärgsten bedrängten…
    Das Knallen von Schüssen unterbrach ihre Gedanken, gefolgt vom Sirren einer zum Himmel schießenden Rakete, deren gelbe Funkenspur bis zur Straße reichte. Weitere Schüsse folgten. Eine schnelle Salve – dann plötzliche Stille. Die Rakete explodierte zu einem weißen Leuchtsignal, das langsam vom Himmel fiel. In seinem grellen Schein bemerkte Sabriel dichten, nassen Nebel, der die Straße heraufwogte; er erstreckte sich so weit, wie sie sehen konnte.

     

28
    Sabriel zwang sich, nicht schreiend zur Eingangstür zurückzustürmen. Sie versuchte langsam zu gehen, um die Soldaten nicht zu beunruhigen, die noch immer damit beschäftigt waren, Lampen anzubringen und Stacheldrahtsperren zu errichten. Ihr entging nicht, dass die Soldaten sie heimlich besorgt beobachteten.
    Der Sarkophag glitt von der Rampe in den Korridor vor ihr. Sabriel wäre leicht daran vorbeigekommen, wartete aber lieber an der Tür und blickte hinaus. Erst nach einer ganzen Weile wurde ihr bewusst, dass Horyse neben ihr stand. Sein Gesicht war zur einen Hälfte von den Laternen beleuchtet, die andere lag im Schatten.
    »Der Nebel… er ist fast schon am Tor«, sagte Sabriel so rasch, dass man ihr die Anspannung anmerkte.
    »Ich weiß«, entgegnete Horyse fest. »Die Salve kam von einem Vorposten. Sechs Soldaten und ein Korporal.«
    Sabriel nickte. Sie hatte den Tod der Männer wie gedämpfte Fausthiebe in den Magen empfunden. Sie musste sich dagegen abhärten, musste ihre Sinne mit Gewalt abstumpfen. Es würde in dieser Nacht noch viele Tode geben.
    Plötzlich spürte sie etwas: Dinge, die bereits tot waren. Sie richtete sich steif auf und rief: »Oberst! Die Sonne ist jetzt ganz untergegangen… und irgendetwas kommt, es schreitet dem Nebel voraus!«
    Noch während sie sprach, zogen sie und der Oberst fast gleichzeitig Degen und Säbel. Die Männer, die mit dem Stacheldraht hantierten, drehten sich erstaunt um. Dann rannten sie zur Treppe und zum Korridor. Zu beiden Seiten der Tür brachten Zweimannteams die schweren, auf Lafetten montierten Maschinengewehre in Feuerstellung und legten ihre Säbel auf die aus Sandsäcken aufgetürmte Barriere.
    »Zweiter Stock, bereit zum Feuern!«, brüllte Horyse, und Sabriel hörte über ihrem Kopf die Schlösser von fünfzig Gewehren. Aus den Augenwinkeln sah sie zwei Scouts durch die Tür treten und sich mit angelegten Pfeilen hinter sie stellen. Sie wusste, dass sie bereit waren, sie ins Haus zu ziehen, wenn sie es für nötig erachteten…
    In der atemlosen Stille war nur der Wind zu vernehmen, der durch die mächtigen Bäume außerhalb der Schulmauer strich und anschwoll, als der Himmel sich verdunkelte. Dann hörte Sabriel das Aneinanderschaben Toter Gelenke, die nicht mehr durch Knorpel verbunden waren, und das Stapfen Toter Füße, deren Knochen wie Stiefelnägel durch das brandige Fleisch klackten.
    »Hände«, erklärte sie nervös. »Hunderte von Händen.«
    Noch während sie sprach, prallte eine feste Wand Toten Fleisches gegen das schmiedeeiserne Tor und riss es in Sekundenschnelle zu Boden. Dann waren da überall umrisshaft menschliche Formen, die auf sie zueilten. Tote Münder öffneten sich und zischten in der grässlichen Parodie eines
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