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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind
Autoren: Zoe Beck
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gedauert, bis die Schmerzen vollständig abgeklungen waren, und nun tastete er an den Gelenken herum und horchte in sich hinein, ob sie zurückkommen würden, die Schmerzen, aber alles schien in Ordnung. Mit ihm jedenfalls. Er wollte wissen, was mit seiner Frau war, und der Psychiater sagte etwas von einer postpartalen Depression. Die sei weit verbreitet, er habe viele solcher Patientinnen und wisse gut damit umzugehen.
    Ein paar Fragen musste er allerdings noch stellen. Sie gingen in sein Zimmer am Ende des Flurs, es war ein großes, helles Zimmer, und er hatte auch ein Vorzimmer mit einer Sekretärin, die sehr modisch gekleidet und frisiert war. Der Psychiater stellte einfache Fragen, ob Felicitas ein Wunschkind war und ob sie sich lieber einen Jungen gewünscht hätten. Und er stellte Fragen nach sexueller Traumatisierung bei Carla, ob es darauf Hinweise gäbe. Frederik hatte keine Ahnung, worauf das alles hinauslaufen sollte. Ihn interessierte gerade viel mehr, wann er seine Frau zurückbekommen würde und was er mit den Kindern machen sollte, solange sie im Krankenhaus war. Er sagte dem Psychiater, dass er ohne Carla nicht zurechtkäme, dass er sie dringend bräuchte und sie das auch wüsste. Dass er sich deshalb nicht vorstellen könnte, wie sie aus dem Nichts diesen Zusammenbruch bekäme, sie wüsste doch, dass sie geliebt und gebraucht würde, sie hätte noch nie jemanden im Stich gelassen.
    Und dann sagte der Psychiater, ja, vielleicht ist das der Grund, warum sie hier ist. Irgendwann ist das Maß voll. Vielleicht hat sie einfach gesehen, wie es ist ohne Kinder, frei und ungezwungen. Die Zeit nur für sich. Schließlich war sie über eine Woche in Quarantäne gewesen, wegen der Gürtelrose, damit sich Felicitas nicht anstecken konnte. Der Sohn bei Frederiks Eltern in Westdeutschland, der Mann in New York, die Tochter auf der Säuglingsstation, und Carla endlich mal für sich allein.
    Die Frau, die mit ihr in einem Zimmer gelegen hatte, bevor das alles passiert war, hatte berichtet, dass sich Carla mit ihr über die Arbeit unterhalten wollte. Fehlte ihr die Arbeit?
    Frederik schüttelte den Kopf. Carla arbeitete schon längst wieder. Sie hatte nach Juniors Geburt ein Kindermädchen gehabt, sie würden wieder eins nehmen. Sie wusste, dass sie von anderen Müttern schief angesehen wurde, dass sie sie heimlich als Rabenmutter beschimpften, aber sie sagte immer: Wenn die Großmutter bei uns im Haus wohnen würde, wäre es in Ordnung, aber wenn ich für eine Frau bezahle, die viel besser als jede Großmutter auf das Kind aufpasst, weil sie jünger ist und ihren Beruf gelernt hat und Kinder einfach gern hat, dann ist es schlecht?
    Er erzählte dem Psychiater von seiner wunderbaren Carla, die immer alles im Griff hatte, die nie von etwas überfordert war, die jede Sekunde in ihrem Leben wusste, was richtig war, und das wusste sie dann nicht nur für sich, sondern gleich noch für alle, die ihr am Herzen lagen. Diese Frau hatte nicht irgendwelche Zusammenbrüche und Depressionen.
    Aber der Psychiater schüttelte nur traurig den Kopf. Die Hormone, sagte er, die kann man nicht so einfach beeinflussen, da muss man sich Hilfe holen, und wir helfen Ihrer Frau. Wir sind hier sehr modern, sagte er. Und was konnte Frederik schon tun, er nickte und überlegte, wo Carla die Telefonnummer der Kinderfrau notiert haben könnte, denn in ein paar Tagen würde Junior aus Frankfurt am Main von den Großeltern kommen, und Felicitas konnte nicht ewig im Krankenhaus bleiben.
    Bevor er ging, ließ er sich noch einmal Felicitas zeigen. Wieder hielt er das Foto, das er vor über fünf Monaten von ihr gemacht hatte, neben ihr Gesichtchen und horchte in sich hinein. Hörte nichts. Keine Dissonanzen, entschied er. Sicher ein gutes Zeichen. Dann beugte er sich zu dem Kind und strich ihm vorsichtig über das Köpfchen. Meine Tochter, sagte er leise. Meine Tochter. Das nächste Mal nehm ich dich einfach mit auf die große Reise.

2.
     
    »Doch. Ihre Freundin hat mich gebeten, Sie anzurufen.«
    Ben versuchte, sich auf die Stimme zu konzentrieren. »Das kann nicht sein«, wiederholte er, langsam und deutlich, und überlegte, wen er in der letzten Zeit verärgert hatte. Zu viele. Aber keiner von denen würde auf so eine Schwachsinnsidee kommen, um sich an ihm zu rächen.
    »Ich verstehe, es ist für Sie sicher ein Schock. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Sie braucht jetzt nur jemanden, der für sie da
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