Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind
Autoren: Zoe Beck
Vom Netzwerk:
es auf den Arm und sprach auf das heulende Mädchen ein.
    »Das da ist nicht mein Kind«, sagte Carla. Ihre Stimme bebte, und die Tränen ließen sich nicht mehr aufhalten. »Wo ist meine Tochter? Wollen Sie behaupten, dass Sie nicht wissen, wo sie ist? Sie können mir doch nicht einfach mein Kind wegnehmen!« Nichts wie raus hier. Sie musste selbst nachsehen. Die Decke weg und rüber zur Säuglingsstation und nachsehen. Sie war so schnell aus dem Bett gesprungen, dass der Arzt sie nur mit Mühe aufhalten konnte.
    »Frau Arnim, wir gehen gemeinsam, in Ordnung? Dann werden Sie sehen, dass wir Ihre Tochter nicht verwechselt haben. Versprechen Sie mir, sich wieder zu beruhigen? Soll ich Ihnen etwas geben?«
    Sie glaubte zu begreifen, dass hier etwas passierte, das sie nicht mehr aufhalten konnte. Carla riss die Tür auf und rannte den Gang entlang, verlief sich, rannte zurück und fand sich endlich vor der großen Scheibe, hinter der die Neugeborenen lagen.
    Der Arzt hatte sie eingeholt. »Frau Arnim. Wir sehen uns jetzt in Ruhe alle Kinder auf der Station an, einverstanden?« Er legte seine Hand leicht auf ihren Ellenbogen und führte sie durch die Tür.
    Kein einziges Kind in Felicitas’ Alter.
    »Das ist nicht möglich«, sagte Carla und ging jedes einzelne Bettchen ab. »Wo ist meine Tochter?«
    Die Schwester hatte sich mit dem Säugling zu ihnen gesellt. Das Kind war ruhig, die Schwester streichelte ihm den Rücken und sah Carla wieder aus riesigen, ängstlichen Augen an.
    »Sie haben doch hier irgendeinen Mist gebaut, und jetzt wollen Sie mir ein falsches Kind unterjubeln, hab ich recht?«
    »Bitte«, sagte der Arzt und legte diesmal seine Hand auf ihre Schulter. »Ich gebe Ihnen am besten eine kleine Spritze, und dann unterhalten wir uns im Behandlungszimmer. Einverstanden?«
    Carla starrte ihn an. Sah noch einmal zu dem fremden Kind, das von der Schwester in sein Bettchen gelegt wurde, dann wieder zu ihm. »Sie wollen mich ruhigstellen?«, fragte sie, nun ganz leise. »Die Spritzen der letzten Tage, damit haben Sie mich auch ruhiggestellt, richtig?«
    Er hob die Hände und schüttelte den Kopf. »Da verstehen Sie jetzt aber wirklich etwas ganz falsch. Wir haben…«
    »Sie haben mein Kind entführt!«, schrie sie. »Oder ist etwas passiert? Ist Felicitas gestorben, und Sie wollen es mir nicht sagen? Was haben Sie getan?« Tränen strömten über ihr Gesicht.
    »Kommen Sie, wir gehen ins Behandlungszimmer.« Jetzt packte der Arzt fester zu, schob sie aus dem Raum, schloss die Tür eilig hinter sich. »Und schreien Sie bitte nicht so rum. Denken Sie an die Kinder!«
    Sie schüttelte ihn ab. »Ich denke an mein Kind! Sie haben mir mein Kind weggenommen!« Ohne nachzudenken, fing sie an, auf den Mann einzuschlagen. Blind trat sie nach ihm, schlug immer weiter. Sie sah, wie er schützend die Arme hob, er konnte nicht fliehen, sie hatte ihn in eine Ecke zwischen der Umkleide und dem Untersuchungsstuhl gedrängt. Sie erwischte seine Nase, landete einen Schlag auf seinen Mund, er blutete, bis jemand sie von hinten packte und von ihm wegzog. Zwei mussten es sein, sie hatte keine Chance, sich gegen sie zu wehren, sie sah sie nicht einmal. Carla schrie nach ihrer Tochter, sah den Arzt auf dem Boden liegen, das Gesicht voller Blut, sah die Schwester, die sich über ihn beugte und sich dann zu Carla umdrehte, Entsetzen im Blick. Dann spürte sie eine Nadel in ihrem Fleisch, merkte, wie ihre Glieder schwer wurden, wie alles um sie herum verschwamm, wie ihre Stimme versagte, weil sie zu müde war, auch nur zu flüstern. Und jetzt war alles weich und schwarz und lautlos.

1.
     
    Alles, was einem die Leute über Blut erzählten, war Quatsch. Von wegen ganz egal, wie oft man schon umgekippt war, weil andere irgendwas vollgeblutet hatten, sein eigenes Blut könnte man sich immer ansehen, kein Problem.
    Dazu müsste man erst mal wissen, dass es das eigene Blut war.
    Fiona wusste nicht mal, dass es überhaupt Blut war. Sie dachte an Tinte, weil sich die dunkle Flüssigkeit gar nicht mit dem Wasser vermischte, sondern ganz nach dickem, dunklem Zigarettenrauch aussah, der sich in einem viel zu kleinen Raum verteilte. Eben wie Tinte in Wasser. Sie wäre fast wieder eingeschlafen. Dann kapierte sie doch, dass sie eigentlich nicht in ihrer Badewanne schlief, wenn sie mit Wasser voll war, schon gar nicht in Unterwäsche, und überhaupt, was sollte das mit der Tinte, irgendwer hatte da wohl irgendwas total witzig gefunden und vergessen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher