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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind
Autoren: Zoe Beck
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Fuß nach Hause gehen. Es war ein warmer Frühlingstag, die Luft war noch immer angenehm, und wenn er schnell ging, wäre er in weniger als einer Stunde in Duddingston. Die Bewegung würde ihm guttun. Er musste den Kopf frei bekommen. Fiona vertreiben und sich überlegen, wie es sein konnte, dass ihm eine rauchende, telefonierende Gestalt am Fenster, die er nur schemenhaft erkannt hatte, so den Kopf verdreht hatte. Das konnte nicht an der Frau liegen. Das waren ganz bestimmt Drogen. Vielleicht hatte sogar Marcus ihm irgendwas untergejubelt. Er würde ihn fragen.
    Ben kam nicht weit. Er war noch nicht richtig am Picardy Place Roundabout angekommen, als ihm jemand eine Hand auf die Schulter legte.
    »Auch auf der Flucht?«, fragte Fiona.
    Er lachte. »Jemand hat ›Get Me Away From Here, I’m Dying‹ aufgelegt.«
    »Ja, Mòrags Partys können ganz schön anstrengend sein. Und wo gehst du jetzt hin?«
    Er antwortete nicht. Er sah in ihre Augen, die irgendwie traurig wirkten, traurig und endlos und voller Geheimnisse, und fragte: »Wohin gehst du jetzt?«
    Und dann küsste er sie.
    DS Hepburn erzählte er nur von ausgelassenen Mottopartys und spontanen Treffen, die gerne mal damit endeten, dass jemand Filmblut verschmierte oder Möbel mit Aquarellfarben verzierte. Er erzählte von Mòrags Filmen und Fionas Künstlerfreunden, fand knappe Worte, die der Polizistin schnell klarmachten: Bei so viel gelebtem Wahnsinn durfte man sich über nichts wundern.
    Auch nicht darüber, dass Fiona ihn als ihren Verlobten ausgab.
    »Reden Sie noch mal mit ihr?«, fragte DC Black, als er neben Bens Wagen parkte.
    »Vielleicht«, sagte er vage.
    »Es wäre besser, wenn sie sich ein paar Tage Ruhe gönnt«, fand Hepburn.
    Er wartete, bis ihm Black die Hintertür geöffnet hatte. »Ich bin kaum derjenige, der sie dazu überreden könnte«, sagte er im Aussteigen.
    »Versuchen Sie’s«, rief Black ihm hinterher.
    Er wartete neben seinem Auto, bis die Polizisten gefahren waren. Dann ging er zum Haupteingang.

Berlin, November 1978
     
    »Mein Kind wurde entführt«, wiederholte Carla, als man sie endlich zu einem Beamten der Kriminalpolizei gebracht hatte.
    Der Mann hieß Köhler, war noch sehr jung für einen Kriminalbeamten, wie sie fand, und machte ein wichtiges Gesicht. »Hier steht«, sagte er und tippte mit dem Zeigefinger auf den Bogen, den sie hatte ausfüllen müssen, »dass Sie Ihre Tochter seit zwei Monaten vermissen. Warum kommen Sie erst jetzt?«
    »Weil ich im Krankenhaus war.«
    Er spitzte die Lippen und versuchte, zu dem Kollegen rüberzuschielen, mit dem er das vor Mobiliar, Akten und Kram überquellende Büro teilte. »Und Ihr Mann?«
    »Glaubt nicht, dass unsere Tochter entführt wurde.«
    Es war nicht schwer zu erraten, was der Kriminalbeamte Köhler gerade dachte: Wer von seinen Kollegen erlaubte sich einen Riesenspaß mit ihm? Oder, zweite Möglichkeit: Warum bekam immer er die Verrückten?
    Also würde sie es ihm genau so erklären, wie sie es sich Tag für Tag in den vergangenen Wochen zurechtgelegt hatte.
    »Passen Sie auf. Ich musste im September ins Krankenhaus wegen einer Gürtelrose. Meine Tochter Felicitas war zu der Zeit sechs Monate alt und durfte sich nicht anstecken. Deshalb wurden wir voneinander getrennt. Ich war über eine Woche lang sehr geschwächt und habe sie nicht gesehen. Als es mir besser ging, brachte mir die Krankenschwester ein Kind im Alter meiner Tochter und behauptete, es handle sich um Felicitas. Aber es war nicht Felicitas. Und da mein Mann nicht bestätigen konnte, dass es sich um ein fremdes Kind handelte, glaubte man mir nicht und steckte mich mit der Diagnose einer postpartalen Depression in die psychiatrische Abteilung. Gestern durfte ich wieder nach Hause. Dort fand ich das fremde Kind vor, von dem man behauptet, es sei Felicitas. Eine Kinderfrau kümmert sich um das Kind, und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.« Sie war froh und erleichtert, dass sie einen ruhigen, sachlichen Tonfall behalten hatte. Zumindest bis zu dem Moment, in dem sie »Mein Mann ist ein Idiot« hinzufügte. »Wenn ich sage, das ist nicht mein Kind, ist es nicht mein Kind, oder?«
    Köhler kaute auf seiner Unterlippe herum. »Ihr Mann sagt also, dass das Kind seine Tochter ist?«, fragte er vorsichtig, und sein Blick glitt wieder zu seinem Kollegen.
    »Herrgott. Er hat sie vier Monate lang nicht gesehen. Und ehrlich gesagt, hatte er vorher kein besonderes Interesse an ihr. Was nicht heißt, dass er sie
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