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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6
Autoren: Clive Barker
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winzige Aale, die zur Decke wuselten und sich dort mit den Mündern festsaugten. Er verlor Valentin im Getümmel aus den Augen. Er vergaß ihn sogar, bis er den Dampfhammer wieder hörte und sich an Valentins hoffnungslosen Gesichtsausdruck erinnerte, als er den Namen des Dings ausgesprochen hatte. Er hatte es »Raparee« oder so ähnlich genannt.
    Und jetzt, während seine Erinnerung das Wort formte, kam es herbei. Es hatte mit seinen Begleitern nichts gemein, besaß weder Mähne noch Flügel, noch Eitelkeit. Es schien nicht einmal aus Fleisch und Blut zu sein, sondern geschmiedet, eine Maschine, deren Räder von Bösartigkeit allein angetrieben wurden.
    Als es erschien, zogen sich die anderen zurück und ließen Harry in dem schwammigen Wirrwarr an der Treppe stehen. Es kam nur langsam voran, das halbe Dutzend Gliedmaßen führte emsige und komplizierte Bewegungen aus, mit denen es die Wände des Treppenhauses durchbohrte und sich so in die Höhe zog. Es erinnerte an einen Mann auf Krücken, der die Gehhilfen vorschob und sich selbst nachzog, aber das Donnern seines Körpers hatte nichts Invalides an sich, kein Schmerz lag in dem weißen Auge, das in dem Sichelkopf leuchtete.
    Harry hatte gedacht, er wüßte, was Verzweiflung ist, aber er hatte es nicht gewußt. Erst jetzt schmeckte er ihre Asche im Hals. Ihm blieb nur noch das Fenster. Das Fenster und der Boden, der ihn willkommen heißen würde. Er wich von der Treppe zurück und ließ die Axt fallen.
    Valentin war im Flur. Er war nicht tot, wie Harry vermutet hatte, sondern kniete, aus hundert Verletzungen blutend, neben Swanns Leichnam. Jetzt beugte er sich tief über den Magier. Zweifellos entschuldigte er sich bei seinem toten Herrn.
    Aber nein. Es war mehr als das. Er hielt das Feuerzeug in der Hand und zündete eine Kerze an. Dann sprach er ein Gebet und senkte die Kerze über den Mund des Zauberers. Die Origamiblume fing Feuer und loderte auf. Die Flamme war seltsam hell und breitete sich mit übernatürlicher Schnelligkeit über Swanns Gesicht und den Körper aus. Valentin richtete sich auf, das Feuer spiegelte sich in seinen Schuppen. Er hatte noch genügend Kraft in sich, daß er den Kopf vor dem Leichnam verneigen konnte, während die Verbrennung begann, dann übermannten ihn seine Verletzungen. Er kippte nach hinten und blieb reglos liegen. Harry sah zu, wie die Flammen emporloderten. Der Leichnam war eindeutig mit Benzin oder so etwas übergossen worden, denn das Feuer flackerte binnen Augenblicken golden und grün empor.
    Plötzlich packte ihn etwas am Bein. Er sah nach unten und stellte fest, daß ein Dämon mit einer Haut wie reife Himbeeren immer noch Appetit auf ihn hatte. Er hatte die Zunge um Harrys Schienbein geschlungen, die Krallen griffen nach seinen Lenden. Angesichts dieses Angriffs vergaß er die Verbrennung und den Raparee. Er bückte sich, um mit bloßen Händen an der Zunge zu ziehen, aber sie war so schlüpfrig, daß seine Bemühungen vergeblich waren. Er taumelte zurück, während der Dämon auf ihn kletterte und seine Glieder ihn umarmten.
    Das Gerangel warf sie beide zu Boden, sie rollten durch den Flur, weg von der Treppe, den anderen Arm des Flurs entlang.
    Der Kampf war alles andere als ungleich, Harrys Ekel machte den Eifer des Dämons mindestens wett. Während sein Körper zu Boden gepreßt wurde, fiel Harry plötzlich wieder der Raparee ein. Seine Schritte hallten in jeder Diele und jeder Wand wider.
    Und jetzt tauchte er selbst am oberen Ende der Treppe auf und wandte den langsamen Kopf zu Swanns Scheiterhaufen.
    Harry konnte selbst aus dieser Entfernung sehen, daß Valentins letzte verzweifelte Versuche, den Leichnam des Magiers zu vernichten, gescheitert waren. Das Feuer hatte ihm kaum etwas anhaben können. Sie würden ihn trotzdem bekommen.
    Harry hatte nur Augen für den Raparee und achtete nicht mehr auf den naheliegenderen Gegner, worauf dieser ihm ein Stück Fleisch in den Mund steckte. Stinkende Flüssigkeit rann ihm in den Hals; er würgte. Er machte den Mund auf, biß heftig auf das Organ und trennte es ab. Der Dämon schrie nicht auf, sondern stieß aus Poren auf dem Rücken Salven ätzender Exkremente aus und löste sich von Harry. Harry spie den Muskel aus, während der Dämon davonkroch. Dann sah er wieder zum Feuer.
    Angesichts dessen, was er dort entdeckte, war alles andere vergessen.
    Swann war aufgestanden.
    Er brannte von Kopf bis Fuß. Haar, Kleidung, Haut. Kein Teil an ihm, der nicht in Flammen stand.
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