Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
paarmal gesehen; sie kamen und gingen Arm in Arm von und zu den Kinos der Zweiundvierzigsten Straße.
    »Mach auf, Michelmas«, sagte seine Mutter mit dieser besonderen Stimme, die sie immer dann annahm, wenn sie eine Belohnung für ihn hatte. Wie ein folgsames Kind ging er zur Tür. Noch nie hatte er so eine Hitze wie jetzt in dem Ofen gespürt, er merkte richtig, wie sie die Haare auf seinen Oberarmen versengte.
    »Mach die Tür auf«, sagte seine Mutter wieder. Er konnte sich ihr nicht widersetzen. Trotz der sengenden Hitze gehorchte er.
    »Der verdammte Hausmeister«, sagte Harry und stieß erbost mit dem Fuß gegen die verschlossene Tür zur Feuerleiter.
    »Diese Tür darf nie gesperrt werden.« Er zog an der Kette, die um die Griffe geschlungen war. »Wir müssen die Treppe nehmen.«
    Vom anderen Ende des Flurs ertönte ein ungewohntes Geräusch; ein Getöse im Heizungssystem, bei dem die altmodischen Heizkörper zu klappern anfingen. In diesem Augenblick gehorchte unten im Keller Michelmas Chaplin seiner Mutter und machte die Ofentür auf. Ein Schrei ertönte von unten, als sein Gesicht in einer Stichflamme verschmorte. Dann das Krachen der aufgesprengten Kellertür.
    Harry sah Valentin an; er hatte seine Abscheu kurzfristig vergessen.
    »Die Treppe können wir nicht nehmen«, sagte der Dämon.
    Bellen und Schnattern und Kreischen stieg bereits empor.
    Was immer im Keller geboren worden war, es war frühreif.
    »Wir müssen etwas finden, um diese Tür aufzubrechen«, sagte Valentin. »Irgend etwas.«
    Harry versuchte, sich die angrenzenden Büros vorzustellen, sein geistiges Auge suchte nach einem Werkzeug, das der Tür des Notausgangs oder den schweren Ketten um die Griffe etwas anhaben könnte. Aber ihm fiel nichts Nützliches ein, nur Schreibmaschinen und Aktenschränke.
    » Denken Sie nach « , sagte Valentin.
    Er kramte in seinen Erinnerungen. Ein schweres Instrument, war erforderlich. Ein Stemmeisen, ein Hammer. Eine Axt! Ein Stockwerk tiefer hatte ein Agent namens Shapiro sein Büro, der ausschließlich Pornodarstellerinnen vermittelte, und letzten Monat hatte eine davon versucht, ihm die Eier wegzupusten. Es war ihr nicht gelungen, aber er hatte eines Tages auf der Treppe geprahlt, daß er sich inzwischen die größte Axt gekauft hatte, die er finden konnte, und mit Freuden jeder Kundin den Kopf abschlagen würde, die handgreiflich gegen ihn wurde.
    Der Aufruhr unten ebbte ab. Die leisen Geräusche freilich waren auf ihre Weise beunruhigender als der Lärm zuvor.
    »Wir haben nicht viel Zeit«, sagte der Dämon.
    Harry ließ ihn vor der versperrten Tür stehen. »Können Sie Swann holen?« rief er im Laufen.
    »Ich werde mein Bestes tun.«
    Als Harry die Treppe erreichte, verklang das letzte Schnattern; als er die Treppe hinunterging, hörte es völlig auf. Es war unmöglich zu sagen, wie nahe der Feind war. Im nächsten Stock? Hinter der nächsten Ecke? Er versuchte, nicht an sie zu denken, aber seine fiebrige Phantasie bevölkerte jeden schmutzigen Schatten.
    Er kam jedoch ohne Zwischenfälle die Treppe hinunter und schlich durch den finsteren Flur zu Shapiros Büro. Als er auf halbem Weg zu seinem Ziel war, hörte er ein leises Zischen hinter sich. Er sah über die Schulter, obwohl sein ganzer Körper darauf brannte, davonzulaufen. Eine der alten Heizungen hatte wegen zu starker Erwärmung ein Leck bekommen.
    Dampf strömte aus dem Loch aus und heulte dabei. Harry ließ sein Herz in der Hosentasche oder wohin es ihm sonst gerutscht war, und hastete weiter zur Tür von Shapiros Büro, wobei er betete, daß der Mann mit seinem Gerede über Äxte nicht einfach nur angegeben hatte. Wenn ja, dann war es um sie geschehen. Das Büro war natürlich verschlossen, aber er schlug die Milchglasscheibe mit dem Ellbogen ein, machte die Tür auf und tastete nach dem Lichtschalter. Die Wände waren mit Fotos von Sexgöttinnen übersät. Harry achtete kaum auf sie, seine Panik wuchs mit jedem Herzschlag, den er hier verbrachte. Er durchsuchte das Büro linkisch und warf in seiner Ungeduld die Möbel um. Keine Spur von Shapiros Axt.
    Dann wieder Lärm von unten. Er kroch die Treppe hinauf und auf der Suche nach ihm den Flur entlang – eine unirdische Kakophonie wie die, die er auf der Dreiundachtzigsten Straße gehört hatte. Sie machte ihn nervös, der Nerv seines kranken Zahns fing wieder an zu pochen. Was bedeutete diese Musik?
    Daß sie kamen?
    In seiner Verzweiflung ging er zu Shapiros Schreibtisch hinüber, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher