Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht
Autoren: Nika Lubitsch
Vom Netzwerk:
Wadenbeißer zurück.
    Ich ging also zurück vor das Gate, wobei gehen nicht der richtige Ausdruck war. Es war, als ob ich durch Marshmallows waten würde. Dann habe ich die Einladung Ostermans der erstaunten Weltpresse verkündet. So schnell, wie die Kameras gezückt waren, so schnell waren sie eingepackt. Der Tross machte sich auf in Richtung Hotel Adlon. Und ich blieb allein. Mit Osterman und Jay wie J.R.
    Mit einer gemieteten S-Klasse chauffierte ich die beiden Männer zum Brandenburger Tor. Ich war angekommen. Zuhause. Ich wollte nie, nie wieder irgendwo anders sein als hinter diesem Steuer, neben diesem Mann. Nicht, dass wir über irgendetwas von Belang geredet hätten. Es war eine Kommunikation, die sich auf einer anderen Ebene abspielte. Es ging etwas Magisches von ihm aus, etwas, das mir das Gefühl gab, mich aufzulösen.
    Nachdem ich ihm im Adlon einen Arzt besorgt hatte, machte ich mich auf zu den wartenden Journalisten. Die fanden das Frühstück im Adlon „nicht das Geld wert“, das sie nicht bezahlt hatten, waren aber ansonsten nicht unfreundlich. Jay kam dann irgendwann herunter und meinte, es könnten jetzt Fotos gemacht werden, aber bitte keine Interviews, Osterman müsse seine Stimme für den Abend schonen.
    Ich war wie in einer Wolke, die mich leicht benebelte. Es war mir plötzlich egal, ob Osterman noch Interviews gab oder nicht. Das Einzige, was zählte, war, dass ich ihn wiedersehen würde, am Abend zur Lesung und am nächsten zur Fernsehshow und zur nächsten Lesung. Ich würde mit ihm durch Deutschland fahren, mit oder ohne Fieber, aber er wäre da und ich wäre da und mehr brauchte ich nicht, um atmen zu können.
    Drei Sekunden hatte er gebraucht, um mein gesamtes Leben auszulöschen, alle Wünsche, Hoffnungen, Träume, sie waren plötzlich egal, es gab nur noch ihn.
    Dabei war er kein Beau. Osterman war zwanzig Jahre älter als ich, seine dunkelblonden Haare lichteten sich bereits am Ansatz. Waren es seine stahlgrauen Augen, die mich in den Bann gezogen hatten? Oder dieser markante Mund mit dem blauen Schatten und den tiefen Falten drum herum? Vielleicht waren es aber auch seine breiten Schultern oder seine tiefe, leise Stimme, die mir noch Monate später eine Gänsehaut machen konnte.

„Dead End – Ohne Ausweg“ von George Osterman
    Er beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Wie eine Spinne, die einer hilflos in ihrem Netz zappelnden Mücke zusah und abschätzte, wie gut die Mahlzeit werden würde. Sie war perfekt, sie war das, was er gesucht hatte, sie war genau das, was er jetzt brauchte. Und sie hatte keine Chance. Die hatte sie vom ersten Moment an nicht gehabt, schon damals nicht, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, auf dem Flughafen. Sie war eine Schlampe, das hatte er sofort gesehen, eine gewissenlose Hure, die vor nichts zurückschreckte, wenn es darum ging, sich einen Vorteil zu erkaufen. Wie sie die Männer umgarnte, sich lasziv über die Lippen leckte, ihn konnte sie nicht täuschen. Sie versuchte das unschuldige, kleine Mädchen zu spielen, aber das half nichts, sie war die Sünde in Person, das hatte er gleich gesehen. Jede Bewegung von ihr war eine Aufforderung zum Tabubruch, wie sie ihre Hüften sanft wiegte, wenn sie ging, wie sie die Beine übereinanderschlug, eine eindeutige Einladung, wie sie sich Luft im Nacken zufächelte und dabei ihre kleinen Brüste vorwitzig nach oben streckte.
    Sie dünstete es aus, dieses Verruchte, ihr heißer Atem war der reinste Lockstoff. „Nimm mich!“, schien sie zu rufen. „Nimm mich!“ Nun, er würde sie sich nehmen. Aber bis dahin würde er noch ein wenig zusehen, wie sie versuchte, sich aus seinem unsichtbaren Netz zu befreien. Nur nichts überstürzen, er hatte Zeit, genügend Zeit, ihre Hilflosigkeit zu genießen. Er würde sie auspacken wie eine sündhaft teure Praline, sie sich einteilen, erst ihren Geschmack kosten, nur ein wenig dran lecken, dann ein winziges Stückchen abbeißen, es im Mund schmelzen lassen, ihr Innerstes freilegen, langsam, ganz langsam, bis ihr Körper keine Geheimnisse mehr vor ihm verbarg.
    Noch ahnte sie nichts, merkte noch nicht einmal, dass sie zappelte wie eine Marionette, er konnte nach Belieben an der Schnur ziehen und sie hob gehorsam ihre Gliedmaßen. Sie war so wunderbar berechenbar. Sie war perfekt. Anders als die anderen, ganz anders. Die anderen …
    Er schloss die Augen und ließ die Phalanx der Schlampen vor seinem inneren Auge Revue passieren. Er erinnerte sich an das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher