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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1
Autoren: Clive Barker
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wußte echt nicht, was vor sich ging.«
    »Du hast sie da drin eingesperrt?«
    »Natürlich. War ‘n Experiment.«
    »Hat sie nichts davon gewußt?«
    »Wir hatten über Angst geredet, kennst mich doch. Sie wußte, was ich entdecken wollte. Wußte, daß ich Versuchskaninchen brauchte. Sie hat schnell kapiert. Sobald sie begriff, worauf ich aus war, hat sie sich beruhigt.«
    Foto sechs. Cheryl sitzt in der Zimmerecke und denkt nach.
    »Wahrscheinlich hat sie geglaubt, sie könne durchhalten, bis es mir zu blöd wird.«
    Foto sieben. Cheryl schaut die Portion Rinderkeule auf dem Tisch an, wirft einen scheelen Blick drauf.
    »Hübsches Foto, find’st nicht? Schau dir ihren angeekelten Gesichtsausdruck an. Selbst den Geruch von gebratenem Fleisch hat sie gehaßt. Freilich war sie da noch nicht hungrig.«
    Acht: Sie schläft.
    Neun: Sie pißt. Steve fühlte sich unbehaglich beim Betrachten des auf dem Eimer hockenden Mädchens; der Schlüpfer hängt ihr um die Knöchel. Tränennasses Gesicht.
    Zehn: Sie trinkt Wasser aus dem Krug.
    Elf: Sie schläft wieder, mit dem Gesicht zur Wand, eingerollt wie ein Fötus.
    »Wie lang ist sie da schon in dem Zimmer?«
    »Da war sie erst vierzehn Stunden drin. Sie verlor sehr schnell die Orientierung, was die Zeit anbetrifft. Unveränderte Beleuchtung, wie du siehst. Ihre innere Uhr war ziemlich bald im Arsch.«
    »Wie lang war sie drin im ganzen?«
    »Bis der entscheidende Nachweis erbracht war.«
    Zwölf: Wieder wach, tigert sie um das Fleisch auf dem Tisch und wirft gerade einen verstohlenen Blick darauf.
    »Das wurde am nächsten Morgen aufgenommen. Während ich schlief. Die Kamera machte einfach jede Viertelstunde ein Bild. Schau dir die Augen an…«
    Steve besah sich die Fotografie genauer. Irgendeine Art Verzweiflung war in Cheryls Gesicht: ein verstörter, wilder Ausdruck. Beinahe wie bei einem Versuch, es zu hypnotisieren, so starrte sie das Rindfleisch an.
    »Sie sieht krank aus.«
    »Sie ist müde, sonst nichts. Sie hat viel geschlafen, so wie’s lief, aber anscheinend hat das nur ihre Erschöpfung bis zum Äußersten gesteigert. Sie weiß jetzt nicht, ob’s Tag oder Nacht ist. Und natürlich hat sie Hunger. Sind ja schon eineinhalb Tage. Sie hat mehr als bloß ‘n bißchen Appetit.«
    Dreizehn: Sie schläft wieder, zu einem diesmal noch festeren Knäuel eingerollt - als wolle sie sich selbst verschlingen.
    Vierzehn: Sie trinkt noch mehr Wasser.
    »Ich hab’ den Krug ausgetauscht, während sie schlief. Ihr Schlaf war tief. Hätte ‘ne Polka abziehn können da drinnen, und sie war’ nicht aufgewacht davon. Fort aus dieser Welt.«
    Er grinste. Verrückt, dachte Steve, der Mann ist verrückt.
    »Mannomann, gestunken hat’s da drin! Weißt ja, wie Frauen manchmal riechen; nicht nach Schweiß, nach was andrem. Ein starker, strenger Geruch: fleischartig, blutig. Es waren die letzten Tage ihrer Periode. Halt’ ich nicht mit eingeplant.«
    Fünfzehn: Sie berührt das Fleisch.
    »Ab hier beginnen sich die Risse zu zeigen«, sagte Quaid, mit leisem Triumph in der Stimme. »Ab hier beginnt das Grauen.«
    Steve musterte die Fotografie genau. Die Grobkörnigkeit des Abzugs verwischte die Details, aber die coole Tante erduldete Qualen, soviel war sicher. Beim Berühren der Nahrung war ihr Gesicht, halb vor Gier, halb vor Abscheu, krampfig in sich verknotet.
    Sechzehn: Sie war wieder an der Tür, warf sich dagegen; schlug mit allen Körperteilen wild drauflos. Ihr Mund, ein schwarzer phobischer Fleck, schrie die blanke Tür an.
    »Jede Konfrontation mit dem Fleisch endete bei ihr regelmäßig damit, mir bombastisch die Ohren vollzulabern.«
    »Wie lang geht’s da schon?«
    »Drei Tage bald. Hast ‘ne hungrige Frau vor dir.«
    Das war kaum zu übersehen. Auf dem nächsten Foto stand sie noch immer mitten im Zimmer und wandte ihre Augen von der Versuchung der Nahrung weg, während das Dilemma ihren ganzen Körper vor Anspannung erstarren ließ.
    »Du läßt sie hungern.«
    »Sie kommt zehn Tage lang mit Leichtigkeit ohne Essen aus. Fasten-zeiten sind in jedem zivilisierten Land üblich, Steve. Sechzig Prozent der britischen Bevölkerung sind zu irgendeinem Zeitpunkt klinisch fettleibig. Sie war sowieso zu dick.«
    Achtzehn: Da sitzt es, das dicke Mädchen, in seiner Zimmerecke und weint.
    »Ungefähr jetzt fing sie zu halluzinieren an. Bloß kleine Störungen, geistige Ticks. Sie dachte, sie spürt was in ihrem Haar oder auf ihrem Handrücken. Mehrere Male hab’ ich sie mitten
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