Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
Semesterbeginn, wenn man die Leselisten abhaken mußte und die Uni-Buchhandlung ewig beteuerte, daß die gefragten Titel bereits bestellt seien, waren Bücher nicht mit Gold aufzuwiegen. Mit schöner Regelmäßigkeit trafen sie dann ein, diese lebensnotwendigen Bücher - zwei Tage nach der Seminarsitzung, in der ihr Autor diskutiert werden sollte. Steve war fest entschlossen, in diesem Abschlußjahr beim Run auf die wenigen bibliothekseigenen Exemplare grundlegender Standardwerke ganz vorn an der Spitze zu sein.
    Die altbekannte Stimme drang an sein Ohr: »Bist aber früh dran.«
    Steve sah auf, geradewegs in die Nadelstichaugen Quaids.
    »Alle Achtung, Steve.«
    »Wovor?«
    »Vor deinem Arbeitseifer.«
    »Ach.«
    Quaid lächelte. »Was suchst’n?«
    »Was über Bentham.«
    »Ich hab’ die Principles of Morals and Legislation. Tut’s das?«
    Eine Falle. Nein: Unsinn. Er wollte ihm ein Buch leihen; wie konnte man eine so harmlose Geste als Falle auslegen?
    »Da fällt mir ein«, das Lächeln wurde breiter, »meins ist, glaub’ ich, sowieso das Bibliotheksexemplar. Kannst es haben.«
    »Danke.«
    »Schöne Ferien gehabt?«
    »Ja. Danke. Und du?«
    »Sehr ertragreich.«
    Das Lächeln war zu einer dünnen Linie abgeflaut unter seinem…
    »Du hast dir ja ‘nen Schnurrbart stehen lassen.«
    Es war ein kränklicher Vertreter der Spezies. Dünn und schmutzig-blond stromerte ein fransiges Gestoppel unter Quaids Nase hin und her, als suche es einen Fluchtweg aus seinem Gesicht. Quaid wirkte leicht verlegen.
    »Cheryl zuliebe?«
    Jetzt war er eindeutig verlegen. »Also…«
    »Hört sich nach schönem Urlaub an.«
    Die Verlegenheit wurde durch etwas anderes verdrängt. »Ich hab’ ein paar tolle Fotos«, sagte Quaid.
    »Was für welche?«
    »Ferienschnappschüsse.«
    Steve traute seinen Ohren nicht. Hatte C, Fromm diesen Quaid zahmgekriegt ? Ferienschnappschüsse l
    »Manche davon würd’st du nicht für möglich halten.«
    Etwas an Quaids Verhalten erinnerte an den Araber, der einem obszöne Postkarten verkauft. Was waren das für Fotos, verdammt?
    Aufnahmen von Cheryl, beim Kant-Lesen erwischt, mit offener, Muschi?
    »Kann dich mir schwer als Fotograf vorstellen.«
    »Tu’ ich mittlerweile leidenschaftlich gern.« Er grinste bei dem Wort »leidenschaftlich«. Sein Verhalten zeigte eine kaum noch verhüllte Erregung. Er funkelte richtig vor Vergnügen. »Du mußt kommen und sie dir ansehn.«
    »Ich…«
    »Heut abend. Dann kannst du gleich den Bentham mitnehmen.«
    »Danke.«
    »Hab’ neuerdings ‘n Haus für mich allein. Gleich um die Ecke hinterm Entbindungsheim, in der Pilgrim Street. Nummer vierundsechzig. So nach neun?«
    »Okay. Danke. Pilgrim Street.«
    Quaid nickte.
    »Hatte keine Ahnung, daß es in der Pilgrim Street noch bewohnbare Häuser gibt.«
    »Nummer vierundsechzig.
    Die Pilgrim Street lag auf den Knien. Die meisten Häuser waren schon bloßer Schutt. Bei ein paar hatten erst die Abrißarbeiten begonnen.
    Ihre Innenwände waren widernatürlich zur Schau gestellt; rosa und blaßgrüne Tapeten, offene Kamine in oberen Stockwerken hingen über klaff enden Spalten rußgeschwärzten Ziegelwerks. Treppen führten von nirgendwo nach nirgendwo und wieder zurück.
    Nummer vierundsechzig stand für sich allein. Zu beiden Seiten waren die Gebäude in der Häuserreihe abgebrochen, wegplaniert worden und hatten eine Wüstenei aus festgestampftem Ziegelstaub hinterlassen, die ein paar kühne oder tollkühne Unkrautbüschel zu besiedeln suchten.
    Ein dreibeiniger weißer Hund patrouillierte sein Territorium längs der Nummer vierundsechzig ab und hinterließ dabei als Zeichen seines Besitzrechts in regelmäßigen Abständen kleine Pißmarken.
    Quaids Haus war, wenn auch schwerlich ein Palast, immerhin einladender als die Öde, die es umgab.
    Sie tranken miteinander schlechten Rotwein, den Steve mitgebracht hatte, und sie rauchten etwas Gras. Quaid war weitaus milder ge-stimmt, als Steve ihn je zuvor erlebt hatte, vollauf zufrieden, anstatt Entsetzensangst Belanglosigkeiten zu bereden. Er lachte gelegentlich; erzählte sogar einen dreckigen Witz. Das Innere des Hauses war kahl und leer, fast spartanisch. Keine Bilder an den Wänden; keinerlei Dekoration oder Nippes. Quaids Bücher, und davon gab’s buchstäblich Hunderte, lagen haufenweise auf dem Boden, ohne daß Steve in ihren Stapeln eine besondere Ordnung hätte entdecken können.
    Küche und Bad waren primitiv. Die ganze Atmosphäre hatte fast etwas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher