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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1
Autoren: Clive Barker
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mal ertragen, in die Auslage von ‘nem Metzgerladen reinzuschaun. Sie will Fleisch nicht anrühren, nicht riechen.«
    »Ach was.« Steve war perplex. Worauf lief das hinaus?
    »Das Grauen, Steve.«
    »Vor Fleisch?«
    »Die Anzeichen, die Erscheinungsformen variieren von Person zu Person. Sie ängstigt sich vor Fleisch. Sie sagt, sie ist so gesund, so ausgeglichen. Einen Scheiß ist sie. Ich krieg’ ihn zu fassen…«
    »Kriegst wen du fassen?«
    »Den Moloch Angst, Steve.«
    »Du hast doch nicht etwa vor… ?« Steve wußte nicht, wie er seiner tiefen Beunruhigung Ausdruck geben sollte, ohne daß es sich zugleich wie eine Anklage anhörte.
    »Ihr was anzutun?« fragte Quaid. »Nein. Ich hab’ nicht vor, ihr in irgendeiner Weise was anzutun. Sollte sie Schaden erleiden, wird er ausnahmslos selbst verursacht sein.«
    Quaid starrte ihm geradezu hypnotisierend in die Augen. »Wird langsam Zeit, daß wir lernen, einander zu vertrauen«, fuhr er fort. Er neigte sich näher. »Zwischen uns beiden…«
    »Du, ehrlich, ich glaub’ ich will davon nichts hören.«
    »Wir müssen die Bestie berühren, Stephen.«
    »Geh mir bloß mit der Bestie! Ich will nichts hören!«
    Steve stand auf, um damit sowohl die bedrängende Umklammerung von Quaids starrem Blick abzuschütteln als auch die Unterhaltung zu beenden.
    »Wir sind Freunde, Stephen.«
    »Ja…«
    »Dann halt’ dich dran.«
    »Woran?«
    »Ans Stillschweigen. Kein Wort.«
    Steve nickte. Das ließ sich ruhigen Gewissens versprechen. Wem hätte er seine Befürchtungen schon mitteilen können, ohne daß man ihn ausgelacht hätte?
    Quaid wirkte zufrieden. Er eilte fort und ließ Steve mit dem Eindruck zurück, gegen seinen Willen einer geheimen Vereinigung beigetreten zu sein, ohne die leiseste Ahnung zu haben, zu welchem Zweck.
    Quaid hatte einen Pakt mit ihm geschlossen, und ihm war hundeelend.
    Während der nächsten Woche ließ er alle seine Vorlesungen und die meisten seiner Seminare sausen. Aufzeichnungen wurden nicht ins Reine übertragen, Bücher blieben ungelesen, Abhandlungen unge-schrieben. Die beiden Male, die er tatsächlich ins Unigebäude ging, schlich er herum wie ein übervorsichtiges Mäuschen und hoffte inständig, nicht Quaid über den Weg zu laufen.
    Er hätte sich nicht zu fürchten brauchen. Das eine Mal, als er Quaids vornüberhängende Schultern am ändern Ende des Innenhofs sah, war dieser in einen heiteren Plausch mit Cheryl Fromm vertieft. Vergnügt und melodisch hallte ihr Lachen von der Wand der Historischen Fakultät wider. Steve war nachgerade gänzlich frei von Eifersucht.
    Nicht für viel Geld hätte er Quaid so nah sein, so engen Umgang mit ihm haben mögen.
    Die Zeit, die er allein fern vom Gewusel der Vorlesungen und vollgepferchten Korridore verbrachte, gab seinem Bewußtsein genügend Spielraum, frei herumzuschweifen. Seine Gedanken kehrten - wie die Zunge zum Zahn, wie der Fingernagel zum Schorf - zu seinen Ängsten zurück.
    Mit sechs Jahren war Steve von einem Wagen angefahren worden.
    Die Verletzungen waren nicht besonders schlimm, aber die Gehirnerschütterung hatte bei ihm eine zeitweilige Taubheit zur Folge. Das war eine zutiefst bedrückende Erfahrung für ihn; konnte er doch nicht begreifen, weshalb er plötzlich von der Welt abgeschnitten war. Es war eine unerklärliche Marter, und das Kind nahm an, sie würde ewig dauern.
    Grad eben noch war sein Leben wirklich gewesen, voller Zurufe und Gelächter. Und gleich darauf war er davon abgeschnitten, und die ihn umgebende Welt wurde zum Aquarium, voller mauloffen glotzender, grotesk grinsender Fische. Schlimmer noch, zeitweise litt er an dem, was die Ärzte Ohrensausen nannten, einem brausenden oder klingelnden Gedröhn in den Ohren. Seinen Kopf erfüllten dann die fremdartigsten Geräusche, dumpfes Gebrüll und Pfiffe, die wie eine Tonspur das wilde Gefuchtel der Außenwelt untermalten. In solchen Phasen drehte sich ihm dann schäumend der Magen um, und ein Eisenband wurde ihm um die Stirn gelegt, das seine Gedanken zu disparaten Brocken zermalmte, den Kopf von der Hand lostrennte, die Absicht von der Ausführung. In einer Flutwelle panischen Entsetzens wurde er dann hinweggefegt, absolut außerstande, noch irgend etwas um sich herum zu verstehen, währenddessen sein Kopf sang und rasselte.
    Aber nachts kamen die schlimmsten Schrecken. Manchmal erwachte er in dem, was vor dem Unfall der heimelige Mutterschoß seines Schlafzimmers gewesen war, um festzustellen, daß das Geklingel
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