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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia
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Milchstraße.
    Er drang tiefer in dieses weitläufige Ruinenfeld vor, Bereiche, in die nicht einmal die Mittagssonne drang, wo die Schatten in Ozeane aus Finsternis mündeten.
    Sterbe ich?, dachte er.
    Was hieß schon sterben in einer Welt, die aus lauter Zahlen bestand?
    Tom Compton schloss sich ihm an, die beiden Männer gingen ein Stück weit Seite an Seite. »Halt die Augen offen«, sagte der Grenzer. »Sie sind dicht vor uns.«
    Guilford ließ von den Sternen ab und konzentrierte sich auf gemeißeltes, erodiertes Gestein.
    Der Geruch, dachte er. Penetrant. Wie Lösungsmittel. Wie etwas, das gründlich verdorben war. Vor ihm, wo der Nebel sich lichtete, sah er den glänzenden Körper und die messerscharfen Scheren des Feindes.
    »Zeig dich nicht«, flüsterte Tom Compton. »Wir sind zu dicht vor dem Ziel, um einen Kampf zu riskieren.«
     

     
    Vor zehntausend Jahren, so die Zeitrechnung der Ontosphäre, waren die Dämonen in ihrem Brunnen gebannt worden.
    Ihre irdischen Inkarnationen waren Tiere. Das Psileben hatte gefährlichen Code in ihre DNS geschrieben, doch eine Gefahr für das Archiv wurden sie erst, wenn sich die Dämonen ihrer bemächtigten. Als Gott hatte Guilford mit ihnen gekämpft, unsichtbar und kraftvoll wie der Wind.
    In eben diesen kraftvollen Körpern wollten sie aus dem Brunnen steigen, und die Männer, die ihn verteidigten, die Marionetten derselben monistischen Logik, würden anfangen, fremden genetischen Programmen zu gehorchen.
    Nur dass sie es früher taten als die Dämonen erwartet hatten. Neue Turingmaschinen hatten das Tuning gesprengt. Der Feind stolperte über seine eigene, schwerfällige Metamorphose.
    Doch es half alles nichts: Ein Saat-Bewusstsein musste seinen uralten Geist in die Tiefen des Brunnens tragen.
    Guilford Law spürte die Angst des sterblichen Guilford – die letztlich seine eigene war. Ihm tat diese überforderte Kopie seiner selbst Leid, diese unfreiwillige Achse, um die sich die Welt drehte.
    Nur Mut, kleiner Bruder…
    hallte es zwischen Guilford und Guilford und verlor sich wie ein Lichtstrahl zwischen schadhaften Spiegeln.
     

     
    Die von Dämonen besessenen Männer – selbst diejenigen, die so sehr deformiert waren, dass sie kein Gewehr mehr handhaben konnten – waren dennoch eine tödliche Bedrohung. Guilford spürte die enorme Energie, die aufgewendet wurde, um ihn trotz seiner verheerenden Verletzungen am Leben zu halten.
    Das Artilleriefeuer im Westen hatte nachgelassen. Die Munition wird knapp, dachte Guilford. Jetzt wird Mann gegen Mann gekämpft.
    Im Winter war die Stadt ganz anders gewesen, als Tom und Sullivan neben ihm hergestapft waren, die eigene Stimme und die der Gefährten, das traurige Bellen der Wollschlangen und die weichen Kurven des Schnees, damals, als sie noch so naiv gewesen waren, an eine vernünftige und einleuchtende Welt zu glauben.
    Er dachte mit Wehmut an Sullivan, der sich den Kopf über das Wunder von Darwinia zerbrochen hatte… das gar keines war, das lediglich einer Technik entsprang, die so ungeheuer fortgeschritten war, dass kein Mensch sie verstanden oder auch nur in Betracht gezogen hätte. Mit dieser Spukwelt hätte Sullivan nichts anfangen können, dachte Guilford. Ebensowenig Preston Finch; mit Zweiflern und Eiferern hatte diese Welt nichts im Sinn.
    In der Nähe ratterten Handfeuerwaffen. Tom Compton blickte über die Schulter und winkte ihn die moos-verschorfte Mauer entlang. Der klare Morgenhimmel war bleiernen Haufenwolken und Regenschauern gewichen. In der Düsternis glühte der verwüstete Leib des Grenzers, schwach nur, wie Kerzenschein. Warum kein Schild um den Hals, dachte Guilford. Endlich umbringen. Wir leben noch.
    Aber der Feind war auch nicht zu übersehen.
    Ein paar Yards entfernt kam ein Dutzend ihrer Gegner die breite Straße herunter. Er duckte sich hinter gestürzten Steinquadern und wartete, bis sie vorbei waren. Die knotigen Rücken glänzten wie gehämmertes Metall, und die langen Köpfe pendelten missmutig hin und her. Knochige Schultern, knochige Hüften. Groteske Zweibeiner, fast eine vorsätzliche Parodie auf die Menschen, die sie eben noch gewesen waren. Manche trugen noch schmierige Fetzen menschlicher Kleidung am Leib.
    Der sterbliche Anteil von Guilford Law wäre am liebsten davongelaufen.
    Doch der sterbliche Anteil von Guilford Law bezwang seine Furcht.
    Er bewegte sich zwischen geborstenen Steinwänden auf das Zentrum der Stadt zu, auf demselben Weg wie damals, in jenem
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