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Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)

Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)

Titel: Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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und Gefühl aus einer Schublade des Nachtschranks nahm. Hornhautverpflanzungen hatten Luisa ihr Sehvermögen zurückgegeben, aber sie konnte nicht gut lesen und behauptete, davon schlimme Kopfschmerzen zu bekommen. Liling hatte angeboten, ihr etwas vorzulesen, und Jane Austen ausgewählt, wegen des förmlichen, aber wunderschönen Englisch, in dem ihre Romane geschrieben waren.
    Liling sah auf das Lesezeichen, aber es fehlte zwischen den Seiten des Buchs. »Weißt du noch, wo wir beim letzten Mal waren ?«
    »Willoughby sollte Marianne einen Heiratsantrag machen, aber er hat se zum Heuln gebracht. Sie is’ aus’m Zimmer gelaufen .«
    »Aus dem Zimmer .«
    Luisa seufzte. »Sie ist aus dem Zimmer gelaufen. Biste sicher? Klingt echt komisch .«
    » Das klingt komisch. Ja, ich bin sicher .« Liling öffnete das Buch bei Kapitel fünfzehn und fing an, laut zu lesen:
    »Ist etwas nicht in Ordnung mit ihr ?« , rief Mrs Dashwood, als sie eintrat – »ist sie krank ?«
    »Ich hoffe nicht « , erwiderte er und versuchte, heiter zu erscheinen; und mit einem gezwungenen Lächeln fügte er gleich darauf hinzu: »Eher bin ich es, der krank sein könnte – denn ich habe gerade eine sehr schwere Enttäuschung erfahren !«
    »Ha .« Luisa stieß ein unfeines Schnauben aus. »Marianne is’ so verknallt in den, dass se niemals Nein sagt. Ich wette, Ellinor hat ihn von diesem Colonel Brandon wegjagen lassen, weil er so arm is’ .« Als Liling etwas erwidern wollte, schüttelte sie den Kopf. »Sag’s nich. Ich weiß, es heißt ›ist‹ und ich muss ›sie‹ sagen .«
    Liling unterdrückte ein Lächeln und las weiter.
    Eine Stunde verging, und aus der Dämmerung wurde eine von einem geisterhaften Vollmond versilberte Nacht. Kein Geräusch schreckte Liling auf, aber sie merkte sofort, dass er da war. Er wartete leise und lauschte zusammen mit Luisa, wie die Hoffnungen der Dashwood-Schwestern zerstört wurden und man ihnen die Herzen brach.
    Der Duft von Kamelien wurde stärker, als wollten die Blumen, die sie Luisa gebracht hatte, den blonden, blauäugigen Mann, der im Türrahmen stand, persönlich begrüßen.
    Liling las das Kapitel zu Ende und legte das Buch zurück in die Schublade, bevor sie Luisas einzigen anderen Besucher begrüßte. »Hallo, Mr Jaus .«
    »Guten Abend, Miss Harper .« Die sanfte Stimme mit dem europäischen Akzent klang wie Samt in ihren Ohren.
    Valentin Jaus war durchschnittlich groß und überragte die zierliche, nur ein Meter fünfzig große Liling nicht sehr, aber die breiten Schultern und der muskulöse Körper unter dem feinen Anzug verspotteten alle, die ihn als klein bezeichneten.
    Dann war da noch die Tatsache, dass er einfach umwerfend und überirdisch gut aussah. Eine goldene Prinz-Charming-Mähne umrahmte ein Gesicht mit so starken, schönen Zügen, dass das Herz jeder normalen Frau einen Schlag lang aussetzte. Und seine blasse Haut ließ ihn nicht kränklich oder bleich wirken, sondern gab ihm etwas Überirdisches, machte ihn so makellos wie einen Gott und so unnahbar wie einen Außerirdischen.
    Liling versuchte, ihn nicht offen anzustarren – schöne Menschen mochten es vermutlich nicht, wenn sie angestarrt wurden – , aber sie fragte sich oft, ob er überhaupt Poren, Adern oder menschliche Fehler hatte.
    Jaus wirkte auch aus anderen Gründen unnahbar. Sein Mund, mit harten und sehr männlichen Lippen, verriet niemals seine Gefühle. Er hatte wunderschöne weiße Zähne, soweit Liling das sehen konnte, wenn er sprach, aber er lächelte niemals. Sie konnte nicht sagen, ob er Schmerzen hatte; sie hatte noch nie die Gelegenheit gehabt, Jaus zu berühren. Manchmal glaubte sie, es auch so spüren zu können. Der Mann schien von unsichtbaren Mauern umgeben zu sein; hatte er sie errichtet, um sich selbst dahinter zu verstecken oder um den Rest der Welt auszusperren?
    DieKrankenschwesternspekuliertenendlosüberJaus,aberniemandschienetwasüberihnzuwissen.DerMannsprachnieübersich,undLuisatatesauchnicht.EsstörteLilingnicht,dieselbstgenugGeheimnissehatte,umdenWunschnachPrivatsphärezurespektieren.DassessieindenHändenjuckte,wannimmersieimselbenZimmerwaren,warnureinbisschenärgerlich.Sieversuchtenie,ihnzuberühren,nichteinmalbeiläufig.JauswarnichtdieArtvonMann,demsoetwasbeiläufigpassierte.
    Sie sah keine Anzeichen dafür, dass er gefährlich war, aber seine Augen, von einem Blau, das wie Glas aussah, machten sie manchmal ein bisschen nervös. Sie hatte noch nie einen Mann mit Augen gesehen, die
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