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Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)

Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)

Titel: Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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wirkten, als wären es Stücke von einem Eisberg.
    Die Nervosität stieg immer in ihr auf, wenn Valentin Jaus sie direkt ansah. Seine Augen veränderten sich, nicht in der Farbe, aber in der Intensität. Sein Blick wurde dann stechend, so gerade und mitleidlos, dass Liling das Gefühl hatte, er würde ihr bis in die Seele sehen.
    Genau wie jetzt.
    Jaus ging auf die andere Seite des Betts und zog seinen Mantel aus. Das fiel ihm schwer, da er offenbar nur einen Arm benutzen konnte; der andere bewegte sich fast gar nicht. »Wie geht es Ihnen, Miss Lopez ?«
    Luisa zuckte mit den Schultern. »Die sind mit mir spaziern gegangn … ich bin dreimal pro Tag spaziern gegangen und noch nicht hingefallen. Aber nach draußen darf ich immer noch nich ’.«
    »Ihr Arzt sagt, dass Ihre Hauttransplantationen noch heilen müssen « , erinnerte er sie, während er seinen Mantel über seinen gesunden Arm legte. »Sie dürfen Sie der Sonne noch nicht aussetzen .«
    Luisa murmelte etwas grammatikalisch Falsches.
    Jaus gab sich Mühe, seine Behinderung zu verstecken, aber Liling fragte sich, was für die Verkrüppelung seines Arms verantwortlich sein konnte und ob das vielleicht der Grund für seine stählerne Unnahbarkeit war. Sie glaubte, dass er vielleicht schwere Verbrennungen erlitten hatte, genau wie Luisa. Das hätte erklärt, warum ein reicher weißer europäischer Geschäftsmann ein armes schwarzes Mädchen aus einem sozialen Brennpunkt besuchte.
    Jaus bemerkte, dass sie ihn anstarrte. »Finden Sie, dass Luisa nach draußen gehen sollte, Miss Harper ?«
    »Nicht, wenn es ihr schadet « , erwiderte Liling und versuchte, dem kristallenen Blick nicht auszuweichen. »Ich könnte die Verwaltung bitten, mir zu erlauben, ein paar Strahler an den Gartenwegen und in den Blumenbeeten zu installieren. Dann könnten Patienten wie Luisa dort abends nach Sonnenuntergang spazieren gehen .«
    »Wie nett von Ihnen .« Er wandte sich wieder Luisa zu und fing an, die Physiotherapie mit ihr zu besprechen, die ihr helfen sollte, die Muskeln in ihren Beinen wieder aufzubauen, die durch ihren langen Krankenhausaufenthalt verkümmert waren.
    Liling saß schweigend da, während die beiden sich unterhielten, doch sie vergaß bald, dem Gespräch zu folgen. Selbst, wenn sie Jaus nur von der anderen Seite des Raumes aus beobachtete, lenkte das ihre Fantasie schon in wilde Bahnen und brachte sie an andere Orte, die nicht so modern und zivilisiert waren. Sie konnte sich Jaus sehr gut als Plünderer am Bug eines Wikingerschiffs vorstellen oder wie er vom Thron eines Barbarenkönigs Befehle gab oder sogar in vorderster Reihe eine Armee von Kriegern in die Schlacht führte. Was immer er tat, er gab die Befehle – er hatte die Selbstbeherrschung und die Wachsamkeit eines Anführers.
    Etwas in Liling reagierte ebenfalls darauf, aber nicht mit Nervosität oder Angst. Um ihre Einsamkeit zu bekämpfen, lebte Liling oft in einer Fantasiewelt, und mit der Zeit hatte Jaus eine immer wichtigere Rolle in ihren privaten Tagträumen übernommen.
    Sie gab sich Jaus in ihren Tagträumen hin, aber sie selbst spielte darin wechselnde Frauenrollen. Eine Jungfrau, die von Plünderern aus ihrem Dorf entführt wurde und von Jaus zu seiner Leibeigenen gemacht wurde. Ein Sklavenmädchen, das bei einer Siegesfeier nackt vor Jaus tanzen musste. Die Prinzessin eines besiegten Landes, die gefesselt und hilflos in Jaus’ Zelt gebracht wurde.
    Sie sank nach hinten in kühle, weiche Felle. Darauf hatten seine Sklaven Amulette aus Gold und Kupfer verteilt, in die sein Profil eingraviert war. Wollte er mit sich selbst schlafen? Nicht heute Nacht.
    Sand bewegte sich unter den Fellen, unter ihren Handflächen, während sie sich gegen sein Gewicht wappnete. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber den Wein in seinem Atem riechen und die Lust auf seiner Haut.
    Er sprang sie nicht an, sondern beobachtete sie, lauerte auf eine Schwäche. Sie spürte, dass er sie wollte, obwohl er ihr nicht traute, der wunderschönen, verräterischen Hurenprinzessin, die ihn um Gnade angefleht hatte. Er hatte sie verschont, aber erst nachdem seine Männer ihr die Schleier vom Antlitz geris sen hatten. Sie hatte vor, ihn mit den schönsten Worten anzuflehen.
    Sein Zelt war sein Thronsaal hier in der Wüste, deshalb wusste er, dass die Wachen sie nicht stören würden. Sie waren bereits zu ihren Lagern geschwankt, halb betrunken von dem süßen, schweren Wein, den sie beim letzten Raubzug in ihrem Heimatland
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