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Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)

Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)

Titel: Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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die Holzkiste vorsichtig in eine waagerechte Position. »Gut, dass ich Sie finde. Soll ich das in den Säuberungsraum oder ins Lager bringen?«
    »Ins Lager, bitte.« Sie sah einen kleinen Riss in der Handinnenfläche ihres Latexhandschuhs und zog ihn aus, um ihn durch einen neuen zu ersetzen. »Ich packe erst wieder jemand Neues aus, wenn ich mit den Sogdies fertig bin.« Sie wandte sich wieder dem Krug zu.
    »Dann ist es ja gut, dass er schon tot ist, hm?« Thomas kam herüber und sah über Jemas gebeugte Schulter. Auf dem mit einem Baumwolltuch bedeckten Tisch lagen alle möglichen weichen Pinsel, Nadeln und Glasphiolen. Eine große, an einem ausfahrbaren Arm befestigte Linse vergrößerte das dunkle Orange des Tonkrugs, der einen Sprung hatte, aber ansonsten intakt war, abgesehen von einem Stück abgebrochenem Rand. »Ich dachte, das Museum stellt griechische Sachen aus, und nichts von den Saudis.«
    »Sogdies, kurz für Sogdier«, korrigierte sie ihn. »Das war ein rebellischer griechischer Stamm, der in den Bergen im Norden von Afghanistan lebte.« Jema benutzte einen kleinen Pinsel, um einige Sandkörner zu entfernen, die in der seitlichen Bordüre des Kruges steckten. »Wo jetzt Usbekistan liegt.«
    »Usbekistan.« Thomas runzelte die Stirn. »Genau.«
    »Einer der Rebellenführer der Sogdier, Oxyartes, hielt dem Angriff einer feindlichen Armee stand, die von Alexander dem Großen angeführt wurde. Er konnte nicht geschlagen werden, und er wollte nicht aufgeben, bis Alexander bereit war, seine Tochter zu heiraten. Das hier gehörte vielleicht Oxyartes’ Feldherrn. Sein Zeichen sah aus wie das hier.« Sie fuhr mit der Fingerspitze durch die Luft über die stilisierte Tierfigur, die in die Seite des Kruges geritzt war.
    Thomas beugte sich weiter vor und blinzelte. »Ist das ein Wolf?«
    »Ein Wolf oder ein großer Hund. Es repräsentiert vielleicht einen der persönlichen Götter des Feldherrn. Ich glaube nicht, dass er ein Einheimischer war. Sogdier waren auch sehr tolerant gegenüber anderen Religionen. Eine unglaublich fortschrittliche Kultur für ihre Zeit.« Jema warf dem verwirrten jungen Wachmann einen Seitenblick zu. Seit Usbekistan konnte er ihr offensichtlich nicht mehr folgen. »Soll ich Ihnen noch was über das Leben in der Garnison des Feldherrn in Kurgan-Tepe erzählen? Ich habe ein paar Dutzend Speerstiele und Pfeilspitzen, die ich als Nächstes datieren muss.«
    Seine Augen weiteten sich, und er machte einen Schritt zurück. »Ich wünschte, das ginge, Miss Shaw, aber ich muss meine Runde machen.« Er rückte den Gürtel auf seinen dünnen Hüften zurecht und nickte zur Uhr über der Werkbank. »Is’ auch schon reichlich spät für Sie, oder?«
    Jema blickte auf die Uhr, 18 Uhr 57, was bedeutete, dass das Museum seit drei Stunden geschlossen hatte und vor siebenundfünfzig Minuten im Shaw-Haus das Essen serviert worden war. Verdammt . Hatte ihre Mutter heute Abend jemand Wichtiges eingeladen? »Ja.« Wenn es so war, dann hätte sie schon angerufen und mich strammstehen lassen . »Ich bin gleich fertig.«
    »Noch eine Sache«, sagte er mit einem ernsten Ausdruck auf seinem jungen Gesicht, »Sie sollten auf dem Weg nach Hause an keinem Bankschalter vorbeifahren.«
    Das war eine so merkwürdige Bitte, dass Jema beinahe lachte. »Warum nicht?«
    »Wegen dieses Straßenräubers. Hat eine Kettensäge benutzt, um eine Lady auszurauben, als sie an einem Bankschalter hielt.« Er nannte eine Bank zwei Blocks vom Museum entfernt. »Sie ist davongekommen, aber die nächste hat vielleicht nicht so viel Glück.«
    Jema schluckte. Toms Warnung rief ihr ein Bild von einem dunklen, runden Gesicht, wunderschönen braunen Augen und einem schüchternen Lächeln ins Gedächtnis. Luisa Lopez, die halbtags als Reinigungskraft im Museum gearbeitet hatte, war vor einem Jahr das Opfer eines genauso brutalen Überfalls während eines Einbruchs geworden. Luisa hatte nicht so viel Glück gehabt davonzukommen; sie lag noch immer im Krankenhaus und erholte sich von den Verletzungen, die sie hätten umbringen sollen.
    Luisa hatte kein schüchternes Lächeln mehr, aber die Ärzte ersetzten allmählich die verbrannte Gesichtshaut. Irgendwann würden sie dazu kommen, ihre Lippen zu rekonstruieren.
    Jema besuchte Luisa jede Woche, doch die junge Frau sprach kaum je oder nahm ihre Anwesenheit zur Kenntnis. Verbände bedeckten die braunen Augen, während die neuen Lider heilten, die man ihr transplantiert hatte. Luisa war jedoch
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