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Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)

Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)

Titel: Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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umgebracht.
    Sie blieb vor dem Büro des Sicherheitsdienstes stehen, wo der Leiter der Nachtschicht das computergesteuerte Sicherheitssystem von der Hauptkonsole aus hochfuhr. »Gute Nacht, Roy.«
    »Miss Shaw.« Er fuhr erschrocken herum. »Ich wusste nicht, dass Sie noch da sind.«
    Wusste das überhaupt jemand außer ihrer Mutter? »Bis morgen.« Sie lächelte und lief dann zum Seitenausgang.
    »Ich begleite Sie nach draußen.« Roys fünfzehn Kilo Übergewicht ließen ihn keuchen, als er sie einholte. »Haben Sie von dem Schei… – äh, von dem Vorfall in Grandview gehört?«
    »Tom hat es erwähnt.« Sie wartete, während er aufschloss und ihr dann die Tür aufhielt. »Diese arme Frau. Sie muss schreckliche Angst gehabt haben.«
    »Sie hatte Glück. Chicago ist voller Junkies und Obdachloser.« Roy trottete neben ihr über die kurze Treppe auf den Angestelltenparkplatz. »Die Polizei sollte unsere Steuern sparen und sie erschießen, anstatt sie zu verhaften.«
    »Das meinen Sie nicht so«, schimpfte Jema.
    »Gute Sache, dass Sie mich keine Waffe tragen lassen.« Roy blickte in das Fenster von Jemas Mercedes Cabriolet, bevor er zusah, wie sie die Tür aufschloss. »Sie fahren direkt nach Hause, Miss Shaw.«
    Hielt sie denn jeder für hilflos? Jema dachte an ihre Mutter, und ihre Wut verebbte. »Das mache ich, Roy, danke.«
    Die Fahrt vom Museum nach Shaw House dauerte normalerweise zwanzig Minuten, aber Jema beeilte sich nicht. Sie musste noch ihre Entschuldigung üben, bevor sie zu Hause ankam.
    »Tut mir leid, dass ich zu spät komme, Mutter«, erklärte Jema dem Lenkrad. Nein, das klingt zu fröhlich. »Es tut mir so leid, dass ich zu spät komme. Schon wieder zu spät komme. Entschuldige, Mutter. Entschuldige, dass ich das Essen verpasst habe.«
    Jema würde nicht viel verpasst haben. Ihren Blutzucker unter Kontrolle zu behalten, erforderte eine strikte Diät, und die Köchin kochte ihr andere Mahlzeiten als die, die von Meryl Shaw und ihren Gästen gegessen wurden. Es spielte keine wirkliche Rolle, was sie aß oder ob sie überhaupt etwas aß; ihre Mutter erwartete einfach, dass sie am Tisch saß. In Meryls Augen war Pünktlichkeit eine Höflichkeit und Säumigkeit eine absichtliche Beleidigung.
    Ich weiß, dass du nicht absichtlich unhöflich sein willst , hatte ihre Mutter beim letzten Mal gesagt, als sie so spät nach Hause gekommen war, aber du solltest auch mal an mich denken. Wenn du nicht pünktlich kommst, mache ich mir Sorgen, dass dir was passiert ist.
    »Ich wurde bei der Arbeit aufgehalten – nein, nicht die Arbeit erwähnen; das hasst sie«, murmelte sie leise, bevor sie mit ihren Proben fortfuhr. »Es war rücksichtslos von mir. Ich war rücksichtslos. Dir gegenüber. Es tut mir leid, dass ich so rücksichtslos war, Mutter.« Sie machte ein finsteres Gesicht. »Ich klinge, als wäre ich zwölf. Ich benehme mich, als wäre ich zwölf.«
    Jema wusste nicht, warum sie sich genötigt fühlte, Entschuldigungen zu üben, bevor sie sie vorbrachte. Was immer im Auto aufrichtig und akzeptabel klang, würde völlig unangemessen sein, wenn sie es Meryl Shaw in ihr ausdrucksloses Gesicht sagte. Dennoch versuchte Jema jedes Mal, wenn sie etwas Gedankenloses tat, wenigstens reuevoll zu klingen . Sie wusste, dass sie eine riesige Enttäuschung für ihre Mutter war; sie wollte es nicht noch schlimmer machen.
    »Wenn du es mit Überzeugung sagst«, erklärte Jema dem Armaturenbrett, während sie durch die schwarzen schmiedeeisernen Tore fuhr, die alle abhielten, die neugierig waren oder sich verfahren hatten, »vielleicht glaubt sie dir dann.«
    Sie blickte zum Haus und erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht im Rückspiegel. Ein oval geformtes Auge und ein Stück der Stirn. Hager, blass, mitleiderregend, aber zumindest war es da. Sie wandte sich ab, bevor sie mehr sah. Sie hasste Spiegel.
    Der akute Diabetes saugte ihr seit ihrer Geburt das Leben aus, aber jetzt schien er sie regelrecht zu verzehren.
    »Es tut mir nicht leid.« Jema war heiß und schwindelig. Sie lehnte sich vor und berührte mit der Stirn das kühle Leder des Lenkrades. »Es ist mein Leben. Lass es mich leben.«
    Das zu Meryl zu sagen, die Jema seit neunundzwanzig Jahren am Leben hielt, wäre für sie wie ein Schlag in den Magen.
    Selbstmitleid kam nicht infrage, deshalb richtete sich Jema auf, drückte auf die Fernbedienung, die an ihrer Sonnenblende befestigt war, und fuhr durch das breite Eisentor, als es sich öffnete. Sie parkte neben
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