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Dark Heart: Zweiter Band

Dark Heart: Zweiter Band

Titel: Dark Heart: Zweiter Band
Autoren: Claire Knightley
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stehe auf, streiche mein karmesinrotes Kleid glatt und stelle mich vor den Spiegel, um mich zu schminken. Mein Haar ist länger geworden. Es fällt mir jetzt in schwarzen Wellen bis auf die Schultern und ist so widerspenstig, dass ich es mit einem Reif bändigen muss. Eigentlich ist das lange Haar unpraktisch, aber ich finde, es steht mir besser als meine alte Kurzhaarfrisur.
    Es klopft an der Tür, leise, beinahe zaghaft.
    »Ja?«
    Ich sehe im Spiegel, wie Mom das Zimmer betritt. Auch sie trägt ein Kleid: knöchellang, ärmellos, mit pastellfarbenen Blumen bedruckt. Sie legt ihre kühlen Hände auf meine Schultern und schaut mich stolz an.
    »Die Gäste kommen gleich«, sagt sie.
    »Gibst du mir noch eine Minute?«, frage ich.
    »Du hast alle Zeit der Welt.« Mom streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Komm, wenn du so weit bist.«
    Ihr Blick fällt auf meine gepackte Tasche. Mit einem Seufzer wendet sie sich zur offenen Zimmertür und geht nach unten.
    Ein Jahr ist vergangen, seit ich Jack kennengelernt habe. Ein Jahr, das mein Leben und das aller Menschen, die ich liebe und die mir wichtig sind, verändert hat.
    Ich muss an Kyle Tenbury denken, der sterben musste, nur weil er ein Freund von mir war. An seine Eltern, die den Verlust ihres Sohnes bis heute nicht verwunden haben und für die der Mord noch immer unaufgeklärt ist. Obwohl ich die Wahrheit kenne. Doch ich werde sie ihnen niemals sagen können. Diese Schuld wird für immer auf meinem Herzen liegen.
    Ich muss an James Milton denken, meinen Vater. An Nachtrabe. Wir haben so wenig Zeit miteinander verbracht. Die beiden haben Aklavik verlassen. Mein Vater wird Nachtrabe begleiten und ihr zur Seite stehen, bis zu jenem Tag, an dem sie vielleicht wieder ein Nachtgeschöpf werden will. Dann als erwachsene, schöne Frau. Diesmal hat sie die Wahl.
    Und ich? Ich weiß jetzt, woher ich komme und wo ich hingehöre.
    Es klingelt an der Haustür. Stimmen dringen aus dem Flur zu mir herauf. Megan, Matthew und Rachel sind mit ihren Familien gekommen. Ich höre, wie sie nach mir fragen, schlüpfe schnell in meine Schuhe und haste die Treppe hinunter.
    »Lydia!« Rachel fällt mir um den Hals und drückt mich so fest, als wollte sie mich nie wieder loslassen. In einer Hand hält sie eine eiskalte Flasche Champagner. Als das Glas meine Haut berührt, zucke ich zusammen. »Wir haben es geschafft!« Sie schaut mich an, als könnte sie noch immer nicht glauben, dass das neue Leben geradewegs hinter der nächsten Straßenecke auf sie wartet. »Wir haben es wirklich geschafft!«
    »Wohin?«, frage ich nur.
    »Columbia University«, sagt Matthew.
    Ich mache große Augen. »Beide?«
    Rachel nickt aufgeregt wie ein kleines Mädchen, das das große Los gezogen hat. »Ja, beide.« Sie macht mit der freien Hand eine Geste, als wollte sie ihre Freude an den Himmel schreiben. »New York City!«
    »Meine Tante hat nur interessiert, dass die Universität zur Ivy League gehört. Der Rest war ihr egal.« Jetzt umarmt mich Matthew. Im Gegensatz zu den anderen trägt er wegen seiner empfindlichen hellen Haut eine Kappe und ein langärmeliges Hemd, das er allerdings bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hat.
    »Hallo, Lydia«, sagt Megan. Sie hat furchtbar abgenommen, ich erkenne sie kaum wieder. Als ich sie umarme, fühlt sie sich zerbrechlich an.
    »Oh, Megan«, flüstere ich. »Es tut mir leid, so unendlich leid.«
    »Ich weiß«, erwidert sie nur. Dann zwingt sie sich zu einem Lächeln und streicht mir flüchtig über die Wange. Ihre Stimme ist jetzt fester. »Ich weiß.«
    Wir gehen hinaus auf die Terrasse. Matthew lässt sich von meinem Vater ein Bier geben, während ich mich mit einer Cola begnüge. M r Sheldon, heute mal in Jeans und Hawaiihemd, prostet mir zu und ich grüße zurück.
    »Sag mal, Lloyd, hab ich dir schon gesagt, dass deine Tochter von Tag zu Tag hübscher aussieht?« Er lacht und legt den Arm um Dads Schulter. »Aber bei dem Vater hatte sie ja auch keine andere Chance, was?«
    Dad schaut mich liebevoll an. »Nein«, sagt er. »Die hatte sie nicht wirklich.«
    Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals und kann nicht verhindern, dass meine Lippen zittern. M r Sheldon schaut mich erschrocken an, denn er ahnt, dass er mit seinen Worten irgendeinen bloß liegenden Nerv getroffen haben muss. Er entschuldigt sich, brummelt irgendwas von »Bier holen« und schleicht davon.
    »Du weißt, dass du immer mein Vater sein wirst«, sage ich.
    »Es ist schwer, Abschied zu nehmen«,
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