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Dark Heart: Zweiter Band

Dark Heart: Zweiter Band

Titel: Dark Heart: Zweiter Band
Autoren: Claire Knightley
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bereute ich beinahe, Lilith McCleerys Bitte nicht ausgeschlagen zu haben. Natürlich war klar, weshalb sie mich an sich binden wollte: Meine Großmutter befehligte die Wächter in diesem Teil Nordamerikas. Außerdem war mein Blut etwas Besonderes. Es konnte Nachtgeschöpfe wieder in Menschen zurückverwandeln. Doch umgekehrt faszinierte auch mich die geheimnisvolle Welt der Vampire, und ganz besonders einer. Beim Gedanken an Jack, der jetzt irgendwo im Norden war, fühlte ich einen Stich in meinem Herzen.
    Ich holte mein Notizheft aus dem Rucksack, trat zum Tor und tippte den achtstelligen Code in ein Tastaturfeld an der rechten Säule, den Lilith mir genannt hatte. Mit einem elektrischen Surren schwang das Tor auf. Ich stieg in mein Auto und fuhr weiter. Im Rückspiegel sah ich, wie sich das Gitter hinter mir schloss. Der Kies knirschte unter den Reifen, als der Wagen langsam die Auffahrt hinaufrollte. Überall waren noch Spuren der Kämpfe zu sehen, die das Anwesen vor wenigen Tagen verwüstet hatten. Auf dem steinernen Grund des Springbrunnens, der früher die Gäste des Hotels begrüßt hatte, glänzten messingfarbene Patronenhülsen wie zweckentfremdete Glücksmünzen. Die Fassade der Lodge sah aus, als hätte hier ein Bürgerkrieg stattgefunden. Ein Einschussloch reihte sich an das andere bis hinauf in den ersten Stock, wo ein Vorhang in einem zerborstenen Fensterrahmen flatterte. Das wuchtige graue Haus mit den weißen Fenstern hatte drei Stockwerke und mündete in zwei L-förmige Seitenflügel, die sich nach vorne hin öffneten und einen Hof einrahmten.
    Ich holte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und verließ meinen Wagen. Feuchte Kälte drang durch meine Jacke und ließ mich zittern. Vorsichtig stieg ich die drei Stufen der Treppe hinauf und drehte mich um. Die Stille machte mich nervös. Die riesigen Douglasien des Waldes, der die Lodge umgab, hatte der Nebel bereits verschluckt. Der Brunnen war nur noch ein dunkler Schemen und auch die Konturen meines roten Käfers begannen sich im Grau aufzulösen. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch und suchte mit klammen Fingern in meinem Rucksack nach dem Schlüssel, den mir Hank gegeben hatte, nachdem er das aufgebrochene Schloss ausgewechselt hatte.
    Etwas schabte über den Fliesenboden, als ich mich gegen die schwere Tür stemmte und sie aufdrückte. Die bunten Scherben einer zerschmetterten Vase waren über den Boden verteilt. Einige davon hatten sich offenbar im unteren Türspalt verkeilt und einen bogenförmigen Kratzer hinterlassen. Ich trat über die Schwelle und die massive Tür fiel mit einem dumpfen Schlag, der in den weitläufigen Korridoren widerhallte, ins Schloss zurück. Ich schaltete die Taschenlampe ein und ließ ihren Strahl umherwandern. Hank und seine Leute hatten beim Angriff auf die Lodge ganze Arbeit geleistet: Das dunkelbraune Holz der Wandvertäfelung war wie die Außenfassade mit Einschusslöchern übersät. Irgendjemand hatte den schweren Kronleuchter von der Decke geschossen, seine Kristalle lagen überall auf dem Boden verstreu t – so als wäre jemand überstürzt aus einer Schatzkammer geflohen und hätte seine Beute zurücklassen müssen.
    Vorsichtig stieg ich die Treppe hinauf. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass es kurz vor halb sieben war. Die Sonne würde in einer guten Dreiviertelstunde untergehen. Ich hatte also Zeit genug für einen kleinen Erkundungsgang. Dabei war mir völlig klar, dass ich etwas Verbotenes tat. Lilith wollte sicher nicht, dass ich in den Zimmern ihrer Residenz herumschnüffelte.
    Als ich den obersten Korridor des dunklen Westflügels betrat, verspürte ich ein Prickeln. Die Gelegenheit war einmali g – und zu verlockend. In ihren privaten Bereich ließen die Vampire in der Regel nur ihre Gefährten, keine Außenstehenden.
    Doch nun waren sie alle fort und ich war mit Lilith allein im Haus. Und noch war es draußen so hell, dass die Vampirkönigin ihren Schlafplatz nicht verlassen konnte. Im Prinzip ging ich also kein Risiko ein.
    »Was soll’s!«, murmelte ich und holte tief Luft.
    Der große Raum, der sich vor mir öffnete, schien aus einem anderen Jahrhundert zu sein. Die Wände waren mit karmesinroten Stofftapeten bezogen, an den Fenstern hingen schwere goldfarbene Samtvorhänge, die halb geöffnet waren. Hinter den Fenstern erstreckte sich eine Nebellandschaft, in der schemenhafte Baumriesen stumme Wache hielten. Die Möbel waren alt und dunkel. Sie hätten eher zu einem englischen
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