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dark canopy

Titel: dark canopy
Autoren: Jennifer Benkau
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Augen, ehe seine leer wurden und auch er in sich zusammensackte.
    Kurz glaubte ich, wir hätten es geschafft. Das Adrenalin quoll mit dem Blut aus meinem Körper und ließ Schmerzen zurück, die mich fast wahnsinnig machten. Doch dann ertönten kriegerische Schreie, als sei die Schlacht noch nicht geschlagen. Ein weiterer Schuss. Dann Erkenntnis. Angst.
    Neél? Neél! Ich wollte es rufen, aber mein Mund blieb verschlossen. Sie würden keinen Unterschied machen. Ein Percent war ein Percent. Der Feind.
    Sie waren alle gleich. Alle gleich. Alle. Gleich.
    Und ich ... ohnehin gleich tot.
    Im Mondlicht. Wir sehen uns im Mondlicht. Irgendwo, wo Mond und Sterne sich in Witwenschwarz hüllen und den ganzen Tag scheinen.
    Mich erlöste die Gnade einer Ohnmacht.

42
    mit dem herzen und dem verstand
und allem, was wir sagen und tun.
    Der Raum, in dem ich erwachte, war mir vertraut und doch so fremd, als hätte jemand alles auf den Kopf gestellt, alles Innere nach außen gekehrt und Licht grob dorthin gemalt, wo vorher feine Schattenzeichnungen gewesen waren.
    Ich war zwischenzeitlich schon bei Bewusstsein gewesen, doch sie hatten mir etwas eingeflößt, das mich schlafen ließ. Vermutlich Mohn. Ich wusste nicht mehr, warum, wusste nur, dass etwas schiefgegangen war ...
    Mit schwerem Kopf sah ich mich um. Es war recht dunkel und mein linkes Auge ließ sich aufgrund einer pochenden Schwellung nicht ganz öffnen. Matthial kauerte in sich zusammengesunken neben der Matratze, auf die sie mich gelegt hatten. Sein Hund schmiegte sich an seine Seite und döste. Er öffnete ein Auge zur Hälfte und leckte sich die Schnauze. Etwas weiter weg saßen Josh, Kendra und Zac im Kreis um ein paar Kerzen herum und unterhielten sich leise. Bei ihnen waren noch zwei andere, die ich nicht kannte, sowie der dickliche Soldat, der schneller rennen konnte als alle anderen. Es wunderte mich kaum, dass er es geschafft hatte, aber es freute mich.
    Ich tat einen tiefen Atemzug und Matthial wandte sich zu mir um. »Hey«, wisperte er. »Hey. Bist du wach?«
    Ich versuchte zu lächeln, es gelang ganz gut. Zunächst hatte sich mein Körper wie ein einziger, gigantischer blauer Fleck angefühlt, aber jetzt spürte ich, dass die Schmerzen nur von einzelnen Punkten ausstrahlten. Mein angeschossener Arm war bereits straff verbunden und mit flachen Holzleisten geschient. Mein Bein war sicher dick und vermutlich schwarz statt blau, aber nicht gebrochen. Mit der gesunden Hand tastete ich mein Gesicht ab. Das geschwollene Auge und ein paar Beulen. Mehr nicht. Ich war überraschend gut aus der Sache herausgekommen.
    »Ihr habt euch in den Baumkronen versteckt«, riet ich. Matthial nickte. »Das war klug von euch.«
    »Erinnerst du dich an Laurencios Lehrstunden über die stinkenden Pilze? Sie überdecken den menschlichen Geruch. Die Percs haben uns nicht wahrgenommen.«
    »Ob der alte Laurencio wohl noch lebt?«, fragte ich. Die Antwort war mir in dem Augenblick nicht wichtig, ich stellte die Frage nur, um die entscheidenden hinauszuzögern, aber als Matthial betroffen den Blick senkte, traf es mich doch. Laurencio war also tot.
    »Es ist so viel passiert«, sagte Matthial leise. Er war nicht mehr der Matthial, den ich kannte. Ich sah es an seinen Augen - es waren die eines alten, fremden Mannes. Doch eine Frage brannte in mir wie ein ungeduldiges Feuer. »Was ist mit Neél geschehen?«
    Ich nahm einen Glanz in Matthials Augen wahr, der mir Angst machte. »Wir haben ihn.«
    »Er lebt?« Mein Herz schlug wie wild.
    »Ja.« Die Art, wie er das Wort betonte, gefiel mir nicht. Etwas Bösartiges verzerrte seine Stimme. Und dann begann er zu erzählen. Ich verstand nur Bruchstücke - er wollte Informationen aus Neél herauspressen.
    »Das kannst du nicht machen!« Ich richtete mich mühsam auf. Mein Kopf schmerzte, es donnerte regelrecht unter meiner Schädeldecke. Mir fiel auf, dass ich saubere Kleidung trug. Mein Unterhemd war fort. Meine Malve!
    »Wo sind meine Sachen?«, rief ich. »Wo ist meine Malve? Wo ist Neél? Ich muss -«
    Matthial drückte mich zurück auf die Matratze. »Schhh, Joy, alles wird gut. Du bekommst neue Sachen. Sie können dir nichts mehr tun.«
    »Meine Sachen!« Meine Stimme erreichte eine Tonhöhe, die ich nicht von mir kannte. Ich brauchte meine Malve, sie war wichtig, sie war das Einzige, was wichtig war! Das Einzige, was ich von Neél hatte.
    »Das war alles ganz kaputt, Joy.«
    »Aber ...« Ich hielt inne. Die Verwirrung hatte mich fest im
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