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dark canopy

Titel: dark canopy
Autoren: Jennifer Benkau
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Schlamm, was zumindest den Geruch des Percentbluts überdeckte. Ein paar Minuten später fand ich wilden Salbei, zerrieb ihn zwischen den Händen und verteilte den Saft aus den Blättern unter meinen Armen, in meinem Nacken und auf der Stirn. Wieder hörte ich Stimmen. Dieses Mal waren sie nicht mehr so fern.
    Und dann vernahm ich ein Knacken schräg über mir. Es war Brad, aber ich erkannte ihn erst auf den zweiten Blick. Er hockte in der Krone eines Baumes und starrte aus unnatürlich großen Augen auf mich herab. Ich erkannte ihn kaum hinter all der Angst in seinem Gesicht.
    Ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken. Komm, lass uns zusammen laufen, wollte ich sagen. Wir fliehen gemeinsam und schützen einander den Rücken.
    Im nächsten Augenblick brüllte er los. »Hier ist sie!«, schallte es durch den Wald, sodass man es bis zur Stadt hören musste. »Hier! Hier ist sie!«
    Ich blieb wohl besser allein.
    Brad brüllte und brüllte, als könne er damit sein Leben retten.
    Ich empfand zunächst keine Angst, ich war nur unfassbar wütend; mehr auf mich selbst als auf ihn. Ich hatte ihm vertraut. Ich hatte ihn sogar beinahe gerngehabt. Und nun verkaufte er mich für ... ja, für was? Glaubte er, sie würden ihn verschonen, wenn er mich verriet? Der Idiot konnte dort oben nicht einmal fliehen, sie würden ihn wie einen reifen Apfel aus den Ästen pflücken. Ich beließ es dabei, ihm den Mittelfinger entgegenzustrecken, und lief weiter; versuchte, sein »Da rennt sie! Da! Rennt sie!« zu ignorieren. Er wollte, dass ich in Panik geriet, wollte mich zu Fehlern treiben. Nur ahnte er noch nicht, dass er es war, der den Fehler machte. Es wunderte mich nicht, dass kurz darauf sein Schrei durch den Wald schallte, dicht gefolgt von einem krachenden Aufschlag, der die verbliebenen Vögel aufscheuchte. Vermutlich hatte ein Percent Brad einfach mit der Armbrust vom Baum geschossen.
    Gänsehaut lief über meinen Rücken. Doch ich musste weiter, nur weiter. Gleich würde ich den Fluss erreichen und von dort an war es nicht mehr weit bis zu der Stelle, an der Matthial mich erwarten und mir Deckung geben wollte. Ich glaubte, das Wasser schon riechen zu können, klar und silbrig; ein bisschen roch Flusswasser auch im Sommer immer nach Schnee. Meine Kehle war vielleicht wund und meine Zunge vor Anstrengung geschwollen, aber meine Füße bewegten sich wie von allein. Schneller, schneller und schneller. Ich achtete nicht mehr darauf, wohin ich trat. Zwar bemerkte ich, dass ich nicht mehr lautlos lief, und presste die Zähne bei jedem Geräusch fester aufeinander, aber behutsamer vorzudringen, war nun nicht mehr möglich. Wie von einer Leine gezogen, rannte ich zum Fluss. Da, war da nicht schon der verkrüppelte Ahorn, dessen Äste mir helfen würden, auf die andere Seite zu gelangen? Meine Vorsicht entglitt mir wie eine Katze, die sich aus streichelnden Händen windet. Ich gab meine ganze Kraft und erreichte den Ahorn laut keuchend. Das Wasser schwatzte und murmelte vor sich hin, als erzählte es eine Geschichte; eins dieser harmlosen Märchen, bei denen man schon am Anfang weiß, dass am Ende alles gut werden wird.
    Dass nichts gut werden würde, war mir klar, als der Percent vor mir stand. Und seine Pistolenkugel meinen Oberarm durchschlug. Zuerst kam gar kein Blut. Dann, ganz plötzlich, sehr, sehr viel.

41
    der wolf unter menschen lebt in wahrheit
so viel schwerer als der mensch unter wölfen.
    Ich sackte zusammen, als der Schmerz mich packte. Mein Messer fiel zu Boden. Aus einem albernen Impuls heraus streckte ich die unverletzte Hand zum Ahorn aus, als wäre der Baum mein Retter, der mich auf knorrigen Armen von hier forttrug. Der Rest meines Körpers krümmte sich um den Schmerz zusammen. Zuerst war da nur eine unglaubliche Kälte; es war, als bestünde mein Oberarmknochen aus Eis. Frost fraß sich von innen durch mein Fleisch. Ich schrie durch fest zusammengebissene Zähne.
    Der Percent grinste auf mich herab und griff nach den Fesseln, die er an seinen Gürtel gebunden hatte.
    Ich stöhnte und zog die Beine an den Körper, bis ich nur noch eine verkrampfte Kugel war. Und mit der unversehrten Hand an meine Wade fassen konnte, wo ich das zweite Messer versteckt hielt. Ich zerrte es aus der Halterung und warf.
    Die Klinge stieß in die Hüfte des Percents, im nächsten Augenblick stand er über mir. Schmerzverzerrtes Gesicht. Nein, zornverzerrt. Er trat mir mit voller Wucht in den Bauch. Etwas, das viel härter war als sein
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