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dark canopy

Titel: dark canopy
Autoren: Jennifer Benkau
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durchtrennen. Der Percent stürzte mitsamt dem Sattel zu Boden, dass es nur so krachte.
    Eine Sekunde lang hielt ich mich für frei. Er war verletzt, würde nicht mehr laufen können. Nicht schnell genug, um mich zu kriegen. Aber da waren immer noch seine Geschosse, die schneller waren als ich und mein neues Pferd. Schon legte der Percent den ersten Bolzen ein und meine Überlegungen waren hinfällig. Ich musste mein Messer werfen, ob ich dazu in der Lage war oder nicht.
    Meine Knie zitterten, meine Hand zitterte, die Klinge zitterte. Ich nutzte den kurzen Moment, in dem er den Blick auf seine eigene Waffe senkte, und warf, ohne zu zielen. Das Messer flog. In der gleichen Sekunde schwirrte mir der Bolzen entgegen und verfehlte mich und das Pferd nur um wenige Zentimeter. Ich zischte einen Fluch, der wie ein Stoßgebet klang. Der Percent saß immer noch am Boden, die Augen weit aufgerissen, die Hände vor den Bauch gepresst. Zwischen seinen Fingern ragte das Heft meines Messers hervor. Ich reagierte wie fremdbestimmt, als schrie die Klinge nach mir. Mit einem Sprung war ich neben dem Percent, der mich anstarrte, als wäre ich ein Geist. Seine Pupillen waren groß und rund, was ihn beinahe wie einen Menschen aussehen ließ. Ich packte mein Messer, drehte es, während ich es ihm aus dem Fleisch zog. Zunächst ließ er mich gewähren. War er vielleicht schon tot, bloß sein Kopf hatte es noch nicht begriffen? Dann stieß er einen derart markerschütternden Schrei aus, dass ich zurückstolperte, beide Hände um den Messergriff gekrallt. Im gleichen Moment löste sich irgendwo in der Ferne ein Schuss. Das Pferd bäumte sich vor Entsetzen auf und entriss mir die Zügel mit einem Ruck. Noch ehe ich wieder auf sicheren Füßen stand, war es mehrere Meter davongestürmt.
    Verflucht! Das Tier würde ich nicht mehr einholen, also blieb mir nichts anderes übrig, als zu rennen. Diesen Percent hatte ich besiegen können, aber es näherten sich drei weitere. Ich war chancenlos, wenn ich nicht schnellstens zusah, dass ich hier wegkam. Ich rannte. Weiter hinter mir knallte ein zweiter Schuss, aber noch war mein Vorsprung zu groß, als dass sie mich hätten treffen können. Ich verzog die Lippen zu einem grimmigen Lächeln. Sollten sie ruhig ihre Munition verballern.
    Ich erreichte das Maisfeld völlig außer Atem. Ein Rehbock, der ebenfalls Schutz zwischen den Pflanzen gesucht hatte, stob auf und preschte davon. Kurz verfluchte ich ihn - das Vieh konnte ja nicht ahnen, dass es sich heute nicht vor den Zweibeinern fürchten musste, aber es brachte den Mais zum Schwingen und verriet uns dadurch beide. Doch dann erkannte ich meinen Vorteil. Meine Verfolger sahen bloß die wogenden Maiskolben in ihren dunkelgrünen Blätterhüllen. Vermutlich glaubten sie, dass ich kopflos und in Panik einfach geradeaus floh. Ich ließ sie in dem Glauben und bewegte mich langsam nach links, Richtung Wald. Vorsichtig glitt ich an den Stängeln vorbei und versuchte, kein Blatt mehr als unbedingt nötig zu berühren, damit die Pflanzen sich nicht bewegten und meinen Standort preisgaben. Ich atmete tief ein und konzentrierte mich auf den herben Geruch und das Grün um mich herum, um mich zu beruhigen. Die Jagd hatte erst begonnen, ich musste jede Pause nutzen.
    Nur nicht die Orientierung verlieren, mahnte ich mich. Ich konnte kaum etwas sehen, nur Mais und Erde und über mir den Himmel. Leicht irrt man sich in solchen Situationen in der Richtung und läuft im Kreis. Doch wir hatten den Städtern in jedem Jahr Gemüse geklaut - ich kannte die Maisfelder. Und so erreichte ich den Waldrand in dem Moment, als ich meine Verfolger durch die ersten Pflanzen brechen hörte. Jetzt durfte ich mich nicht verraten! Leise und geduckt lief ich zwischen die Bäume. Immer wieder blieb ich stehen und lauschte. Die Stimmen, die aus dem Wald drangen, schienen weit weg, aber ich wusste, dass die Bäume viele Geräusche schluckten. In den Zweigen turnten heute keine Eichkätzchen und die wenigen Vögel blickten mit misstrauisch schief gelegten Köpfen zu mir herunter. Die Tiere witterten Gefahr und ich nahm nicht an, dass ich es war, die ihnen Angst machte. Nicht nur ich.
    Weiter musste ich dennoch. Weiter, weiter! Keine Geräusche verursachen, keinen Zweig unter den Füßen zertreten, keinen lauten Schritt. Und ich musste irgendetwas tun, damit sie mich nicht witterten. Mein Schweiß war wahrscheinlich kilometerweit zu riechen. An einer feuchten Senke wendete ich mein Messer im
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