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dark canopy

Titel: dark canopy
Autoren: Jennifer Benkau
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ebendieser Vanille rochen und meist auch ein bisschen nach Bärlauch, Minze und Zwiebeln. An die Schlachtrufe, die der junge Clanführer gebrüllt und seine Anhänger mit einer einzigen Stimme wiederholt hatten: »Sie können uns Zeit stehlen. Aber nicht unser Land! Früher oder später holen wir uns unser Land zurück!« (Diese Rufe hatte Matthial seit Jahren nicht mehr gehört.) Und an Rick, der damals ein verspielter, wuscheliger Welpe gewesen war und nach dem Tod von Matthials Mutter von heute auf morgen den Übermut verloren hatte. Viel zu früh.
    Matthial schüttelte die Gedanken ab. »Ich habe die Fallen kontrolliert, aber es war nur eine halb verhungerte, räudige Ratte drin.«
    »Dieser Winter ist für alle hart«, erwiderte Mars. »Ich habe das Gefühl, es wird noch schlimmer werden. Es riecht nicht so, als wäre der Winter schon erwachsen, eher so, als würde er sich erst noch entwickeln. Er kann noch härter werden und bis zum April bei uns bleiben. Das macht mir Angst.«
    Matthial sah nicht auf. Für ihn roch gefrorene Erde, vereistes Laub und Frost tief im Holz der Bäume immer gleich, egal wie alt der Winter war. Aber wenn Mars sich die Blöße gab, von Angst zu sprechen, dann sollte ihn das mehr sorgen als eine Wand aus Sturm- und Gewitterwolken, die auf ihn zujagte. Heute blieb es kühl in seinem Kopf. Er ängstigte sich bereits viel zu sehr um Joy, die längst wieder zurück sein sollte, als sich Gedanken um den Winter machen zu können.
    »Vielleicht kommt der Frühling bald«, sagte er ausweichend, »das kann man auch nicht wissen, und wenn nicht, dann ändern wir doch nichts dran.«
    »Das ist richtig, Matthial. Und das Wichtigste, was ein Clanführer lernen muss. Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann.«
    »Manche sagen, man könne die Regentschaft der Percents auch nicht ändern.«
    Mars lachte, ein tiefes, beinahe gemütliches Geräusch. »Sicherlich leichter als das Wetter.«
    Das wäre eine Diskussion wert. Doch obwohl Matthial die Lehrstunden seines Vaters für gewöhnlich genoss - auch wenn er kein Bestreben danach spürte, den von ihm angedachten Platz in absehbarer Zeit zu übernehmen -, war ihm heute nicht danach. Es war schwer, über die Entwicklung des Clans zu sprechen, wenn in seinem Kopf die Gedanken an seine Freundin hin und her schossen wie vom Angelhaken verwundete Fische in einem Eimer.
    »Mars ... Vater, sei mir nicht böse, aber ich wäre lieber einen Moment allein. Joy ist noch nicht zurück.«
    »Du willst sie suchen gehen?«
    »Bei der Sonne!« Er stieß Luft durch die Nase, die ironische Variante eines Lachens. »Wenn sie mich erwischt, wie ich ihr nachschnüffle, weidet sie mich aus! Ich warte hier auf sie. Sie kommt, da bin ich mir sicher.« Joy konnte auf sich aufpassen, diesbezüglich hatte nie Grund zur Sorge bestanden. Dennoch bekam er seine Angst um sie nicht in den Griff.
    Mars lächelte müde und tätschelte Rick den Kopf. »Ich verstehe. Ich lasse dich gleich allein. Es war mir bloß wichtig, nach dir zu sehen. Wenn etwas ist ...«
    »Was sollte schon sein?«, fragte Matthial skeptisch. Wenn er jetzt anfing, sich böse Szenarien auszumalen, würde er Joy doch noch in die Stadt folgen.
    Mars zuckte abrupt mit den Schultern. Er hatte immer noch die kräftige Statur des jungen Mannes, der er einmal gewesen war, aber sein Körper und seine Bewegungen wurden mit jeder Jahreszeit drahtiger, kantiger und auch härter. »Egal was. Du kannst zu mir kommen, Matthial, und unter vier Augen mit mir sprechen. Ich bin für dich da, ja? Immer. Das weißt du.«
    Die letzte Aussage hatte den Nachklang einer Frage, also nickte Matthial. »Danke, Vater.«
    »Nicht dafür.« Mars kniff verschmitzt die Augen zusammen, das alte, geheime Signal, das bedeutete: Ich darf es dir vor dem Clan zwar nicht öffentlich zeigen, aber du bist etwas ganz Besonderes für mich.
    • • •
    Joy kam, als das Himmelgrau vom Schwarz der Nacht vereinnahmt wurde und alle Schatten zu einem einzigen verschmolzen. Er hörte sie kommen, vernahm ihr Keuchen und das Krachen von Geäst, über das sie hinwegstürmte. Das war eigenartig. Normalerweise war Joy schnell und lautlos wie das Licht. Einen Moment lang glaubte Matthial sich zu irren. War es vielleicht Amber, die er hörte? Nein, er erkannte Joys Keuchen. Er sah sie erst, als sie direkt vor ihm stand; das Haar verklebt, die blasse Haut von etwas Schwarzem beschmiert, ihr Gesicht von Tränenstreifen durchzogen.
    »Joy!« Vor Entsetzen bekam er
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