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dark canopy

Titel: dark canopy
Autoren: Jennifer Benkau
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konzentrierte mich auf seinen Herzschlag, während Penny Mars in knappen Worten erklärte, dass Amber verloren sei.
    Verloren ...
    Ich grub die Fingernägel in meine Handflächen und das lag nicht allein daran, dass Mars sich nun dicht vor mir niederkniete. Unweigerlich rutschte ich ein Stück von Matthial fort. Das Gemurmel verstummte.
    »Erzähl«, forderte er mich auf.
    Ich begann stockend, doch meine Stimme wurde langsam fester, während mein Hass anschwoll und mir Kraft gab.
    »Vielleicht lebt sie noch«, schloss ich meinen Bericht ab. »Ganz bestimmt lebt sie noch. Wir müssen sie da rausholen!«
    Mars’ Augen wurden schmal und ich bemerkte zu spät, dass ich mit meinem letzten Satz seine Position als Anführer infrage gestellt hatte. Ich hatte hier keine Befehle zu erteilen. Doch er schien mir nicht böse zu sein, er schüttelte einfach nur den Kopf »Tut mir leid, Joy.«
    Es tat ihm leid?
    Er hatte Amber kaum gekannt. Er war nicht mit ihr aufgewachsen, hatte sie nicht getröstet, wenn sie Angst gehabt hatte. Er war es nicht gewesen, der matschige Brombeeren in der Faust versteckte, damit niemand anders sie bekam, sondern ganz allein Amber, weil sie Brombeeren lieber aß als alles andere auf der Welt.
    Es. Tat. Ihm. Leid?
    Er hatte nicht an ihrem Bett gesessen und ihr nasse, kalte Tücher um die Waden gewickelt, als sie Fieber hatte. Er hatte nicht geweint vor Erleichterung, als die Krankheit überstanden war.
    »Es tut dir leid?«
    Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass diese fassungslosen Worte aus meinem eigenen Mund gekommen waren. Mars besaß den Anstand, den Blick zu senken. Vielleicht ahnte er, wie taktlos er gesprochen hatte.
    »Wir werden sie nicht einfach im Stich lassen«, stammelte ich. Zunächst wollte ich ein Oder? anfügen, doch dann entschied ich mich anders. »Du willst damit hoffentlich nicht sagen, dass du sie ihnen einfach überlassen willst. Mars!«
    Die Leute um mich herum atmeten lauter oder ließen es ganz. Matthial rutschte näher an mich heran. Ich spürte ihn im Rücken, er war so angespannt wie sein Bogen, wenn er auf Beute anlegte. Mars’ Miene gab keine Regung preis, aber ich schwöre, dass er unterschwellig eine solche Bedrohung versprühte, dass Matthial ihn wohl augenblicklich niedergeschlagen hätte, würde Mars auch nur zu schnell aufsehen. Er behauptete immer, Mars und er würden sich sehr schätzen, aber wenn sie das taten, dann verbargen sie es gut. Meine Hand zuckte in Richtung meines Messers.
    Mars stand langsam auf und entfernte sich von mir. »Ich verstehe deinen Zorn«, sagte er und wandte sich ab, sodass ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte. Mit ein paar Schritten war er im Dunkeln verschwunden, zurück blieb nur seine Stimme. »Ich kann nicht erlauben, dass weitere von uns in Gefahr geraten, oder gar der ganze Clan.«
    Mein Blick fiel auf die kleine Flora, ein zartes Ding von zwei Jahren, die im flackernden Licht einer Kerze mit einem abgerissenen Stromkabel spielte. Babys jüngste Tochter. Ein Waisenmädchen.
    »Glaubst du denn«, sagte Mars, »Amber würde wollen, dass die Zukunft des Clans in Gefahr gerät, weil sie einen Fehler gemacht hat? Das kann ich nicht zulassen. Ich trage eine Verantwortung.«
    »Gilt die nicht für Amber?« Es war Matthial, der laut und ruhig sprach und sich hinter mir erhob. »Endet deine Verantwortung, sobald es gefährlich wird, zu ihr zu stehen?«
    »Matthial, es ist nicht an der Zeit, meine Entscheidungen anzuzweifeln.«
    Matthial stieß ein trockenes Lachen aus. »Wenn es nach dir geht, wird diese Zeit auch nie kommen.«
    Ein paar Leute begannen zu murmeln, ich dagegen reihte mich bei denen ein, die die Luft anhielten. Es war grotesk. Ich wollte Mars auf meine Seite bringen, egal wie. Stattdessen brachte ich ihn nicht nur gegen mich, sondern auch gegen Matthial auf. Matthial tat das allein für mich; aus freien Stücken hätte er sich doch nie gegen seinen Vater gestellt. Verdammt, das lief alles falsch!
    Mars lachte bitter. »Du bist vielleicht mein Sohn«, höhnte er, »aber das macht dich nicht zu etwas Besserem. In meinen Augen bist du nichts anderes als jeder hier im Raum. Du aber glaubst, die Führung an dich nehmen zu können, ohne dich zuvor beweisen zu müssen. Wie arrogant bist du, Matthial?«
    Im schwachen Licht sah ich Matthial das Kinn hochrecken. Wie gelassen er blieb. Wie konnte er es hinnehmen, von seinem Vater so bloßgestellt zu werden?
    Er grinste fast, ein steinhartes Verziehen seiner Lippen.
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