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Darf's ein Küsschen mehr sein?

Titel: Darf's ein Küsschen mehr sein?
Autoren: R Gibson
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ihn zu kennen. Taten sie aber nicht, sonst hätten sie gewusst, dass er lieber mit Frauen zusammen war, die weder ihn noch seine Vergangenheit kannten. Die nicht über jedes schmutzige kleine Detail aus dem Leben seiner Eltern Bescheid wussten.
    Mick stopfte die Geldscheine samt den Quittungen in Banktaschen und zog die Reißverschlüsse zu. Die Wanduhr über seinem Schreibtisch zeigte 2:05 an. Auf dem polierten Eichenmöbel stand Travis’ neuestes Schulfoto; Wangen und Nase des Jungen waren mit braunen Sommersprossen übersät. Micks Neffe war fast acht und hatte mehr Hennessy-Blut in den Adern, als ihm guttat. Das unschuldige Lächeln täuschte Mick kein bisschen. Travis hatte die dunklen Haare, die blauen Augen und den ausschweifenden Charakter seiner Vorfahren geerbt. Wenn man sein Temperament nicht zügelte, würde er auch noch ihre Vorliebe für Raufereien, Schnaps und Frauen erben. Diese Eigenschaften waren einzeln genommen und in Maßen nicht unbedingt schlecht, doch Generationen von Hennessys hatten sich einen Teufel um Mäßigung geschert, und diese Kombination hatte sich manchmal als tödlich erwiesen.
    Er durchquerte das Büro und deponierte das Geld auf dem obersten Bord im Safe, gleich neben dem Ausdruck mit den abendlichen Einnahmen. Er schwang die schwere Tür zu, schob den Stahlgriff herunter und drehte das Kombinationsschloss. Das Klickklick-Geräusch durchbrach die Stille in dem kleinen Büro im hinteren Teil des Mort’s.
    Travis machte Meg die Hölle heiß, so viel war sicher, und
Micks Schwester hatte nur wenig Verständnis für Jungs. Sie kapierte einfach nicht, warum Jungs Steine warfen, aus allem, was sie anfassten, Waffen bauten und sich ohne jeden ersichtlichen Grund prügelten. Deshalb blieb es Mick überlassen, in Travis’ Leben der Puffer zu sein und Meg bei seiner Erziehung zu unterstützen. Damit der Junge jemanden hatte, mit dem er reden konnte und der ihm beibrachte, was einen guten Mann ausmachte. Nicht, dass Mick auf diesem Gebiet Experte oder gar ein leuchtendes Beispiel gewesen wäre. Dafür verfügte er über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, was ein Arschloch ausmachte.
    Er schnappte sich die Schlüssel vom Schreibtisch und verließ das Büro. Seine Stiefelabsätze schlugen dumpf auf dem Hartholzboden auf und klangen in der leeren Bar übermäßig laut.
    Er selbst hatte in seiner Kindheit niemanden zum Reden gehabt, der ihm hätte beibringen können, was es hieß, ein Mann zu sein. Da er von seiner Großmutter und seiner Schwester großgezogen worden war, hatte er es selbst herausfinden müssen, und in den meisten Fällen hatte er es auf die harte Tour gelernt. Das wollte er Travis ersparen.
    Mick knipste die Lichter aus und verließ das Gebäude durch die Hintertür. Die kalte Morgenluft strich ihm über Gesicht und Hals, als er einen der Schlüssel in das Riegelschloss steckte und es hinter sich zusperrte. Direkt nach der Highschool war er aus Truly weggegangen, um an der Uni in der Hauptstadt Boise zu studieren. Doch nach drei Jahren Planlosigkeit samt einer katastrophalen Arbeitsmoral war er zur Army gegangen. Die Welt aus einem Panzer heraus zu sehen hatte damals nach einem coolen Vorhaben geklungen.

    Neben dem Müllcontainer parkte sein roter Dodge Ram, und er stieg ein. Die Welt hatte er jedenfalls gesehen. Manchmal mehr davon, als ihm lieb war, aber nicht aus einem Panzer heraus, sondern aus Tausenden von Metern über der Erde aus den Cockpits von Apache-Helikoptern. Er hatte Hubschrauber für die US-Regierung geflogen, bevor er die Army verlassen und wieder nach Truly gezogen war. Die Army hatte ihm mehr geboten als eine Superkarriere und die Chance auf ein gutes Leben. Sie hatte ihn auf eine Art gelehrt, ein Mann zu sein, wie das Leben in einem Haus mit Frauen es nicht getan hatte. Wann man sich behaupten und wann man die Klappe halten musste. Wann man kämpfen und wann man sich vom Acker machen musste. Was wichtig war und was reine Zeitverschwendung.
    Mick ließ den Pick-up an und wartete kurz, bis das Fahrzeug warmgelaufen war. Als Besitzer zweier Kneipen hielt er es für äußerst hilfreich, gelernt zu haben, wie man mit den verschiedensten streitsüchtigen Besoffenen und Volldeppen fertig wurde, ohne gleich die Fäuste sprechen zu lassen und Schädel einzuschlagen. Ansonsten bekäme er nicht viel anderes auf die Reihe, wäre ständig in irgendwelche Prügeleien verwickelt und würde mit einem blauen Auge und einer kaputten Lippe herumlaufen wie früher als
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