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Darf's ein Küsschen mehr sein?

Titel: Darf's ein Küsschen mehr sein?
Autoren: R Gibson
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schraubte den Verschluss wieder zu. Sie war ganz anders als ihre Mutter. Sie wusste, wo sie hingehörte. Sie fühlte sich wohl mit dem, was sie war, und brauchte mit Sicherheit keinen Mann, der sie liebte. Eigentlich war sie noch nie verliebt gewesen. Hatte keine romantische Liebesgeschichte erlebt, wie ihre gute
Freundin Clare sie von Berufs wegen erfand. Und auch keine törichte amour fou , die das Leben ihrer Mutter beherrscht und sie letztlich das Leben gekostet hatte.
    Nein, an der Liebe eines Mannes war Maddie nicht interessiert. Sein Körper war schon eine andere Geschichte, und einen Fuck Buddy hätte sie durchaus gern gehabt. Einen Mann, der mehrmals in der Woche vorbeikam, um mit ihr zu schlafen. Er brauchte kein toller Gesprächspartner zu sein. Verdammt, er musste sie nicht mal zum Essen ausführen. Ihr idealer Mann würde einfach mit ihr ins Bett gehen und wieder verschwinden. Doch bei der Suche nach Mister Perfect gab es zwei Probleme. Erstens war jeder Typ, der nur Sex von einer Frau wollte, höchstwahrscheinlich ein Arsch. Und zweitens war es schwierig, einen willigen Kandidaten zu finden, der echt gut im Bett war und es sich nicht nur einbildete. Die zeitaufwändige Prozedur, Männer daraufhin abzuchecken, war ihr irgendwann so lästig geworden, dass sie es vor vier Jahren aufgegeben hatte.
    Sie ließ die Colaflasche zwischen zwei Fingern baumeln und verließ die Küche. Ihre Flipflops klatschten an ihre Fußsohlen, während sie das Wohnzimmer durchquerte und am Kamin vorbei in ihr Büro schlenderte. Ihr Laptop stand auf einem L-förmigen Schreibtisch, der an die Wand geschoben war, und sie knipste die Lampe an, die an ihrem Regal befestigt war. Zwei Sechzig-Watt-Birnen erhellten einen Stapel Tagebücher, den Laptop und ihre »Unschlagbar«-Klebezettel. Insgesamt lagen dort zehn Tagebücher in den verschiedensten Ausführungen und Farben. Rote. Blaue. Pinke. Zwei hatten Schlösser, während ein weiteres nur ein gelber Spiralnotizblock war, auf den mit schwarzem Marker das
Wort »Tagebuch« geschrieben worden war. Sie hatten allesamt ihrer Mutter gehört.
    Maddie klopfte mit der Cola-light-Flasche an ihren rechten Oberschenkel, während sie das oberste, weiße Buch auf dem Stapel betrachtete. Bis zum Tod ihrer Großtante Martha vor ein paar Monaten hatte sie nicht mal gewusst, dass sie existierten. Maddie glaubte nicht, dass Martha ihr die Tagebücher absichtlich vorenthalten hatte. Viel wahrscheinlicher hatte sie vorgehabt, sie Maddie eines Tages zu geben, es aber völlig verschwitzt. Alice war nicht die einzige flatterhafte Frau im Familienbaum der Jones’ gewesen.
    Als Marthas einzige lebende Verwandte war Maddie dafür verantwortlich gewesen, den Nachlass zu regeln, sich um die Beerdigung zu kümmern und das Haus auszuräumen. Es war ihr gelungen, für die Katzen ihrer Tante ein Zuhause zu finden, und eigentlich hatte sie vorgehabt, fast alles der Wohltätigkeitsorganisation Goodwill zu spenden. In einem der letzten Kartons, die sie durchsah, war sie dann auf alte Schuhe, altmodische Handtaschen und einen ramponierten Schuhkarton gestoßen. Sie hätte den ramponierten Karton fast weggeworfen, ohne auch nur den Deckel abzuheben. Ein Teil von ihr wünschte sich fast, es wäre so gekommen. Dass sie sich den Schmerz erspart hätte, als sie entgeistert in den Karton gestarrt hatte, während ihr das Herz bis zum Halse schlug. Als Kind hatte sie sich stets nach einer Verbindung zu ihrer Mutter gesehnt. Nach irgendeiner Kleinigkeit, an der sie sich festhalten konnte. Sie hatte davon geträumt, etwas zu haben, das sie sich von Zeit zu Zeit ansehen konnte, etwas, das sie mit der Frau verband, die ihr das Leben geschenkt hatte. Während ihrer gesamten Kindheit hatte sie
sich nach etwas gesehnt …, nach etwas, das die ganze Zeit nur wenige Meter entfernt ganz oben im Wandschrank lag. Und in einem »Tony Lama«-Cowboystiefel-Karton auf sie wartete.
    Der Karton hatte besagte Tagebücher enthalten, die Todesanzeige ihrer Mutter und Zeitungsartikel über ihren Tod. Außerdem einen kleinen Satinbeutel mit Schmuck. Hauptsächlich billiges Zeug. Eine »Foxy Lady«-Halskette, diverse Türkisringe, ein Paar Silberkreolen und ein rosafarbenes Bändchen aus dem St. Luke’s Hospital, auf dem in Druckschrift die Worte »Baby Jones« geschrieben standen.
    Als sie an jenem Tag in ihrem alten Zimmer stand und keine Luft mehr bekam, weil sich ihr die Brust zuschnürte, hatte sie sich wieder wie ein verängstigtes,
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