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Darf's ein Küsschen mehr sein?

Titel: Darf's ein Küsschen mehr sein?
Autoren: R Gibson
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beiden hatten von ihrem bescheidenen Gehalt und von Maddies Sozialhilfe gelebt. Obwohl das Geld immer knapp gewesen war, hatte Martha sich stets ein halbes Dutzend Katzen gehalten. Das Haus hatte immer nach Friskies und Katzenklos gestunken, sodass Maddie die Viecher bis zum heutigen Tage verabscheute. Außer vielleicht Schnucki, den Kater ihrer guten Freundin Lucy. Schnucki war cool. Für einen Stubentiger.
    Sie fuhr anderthalb Kilometer ums östliche Seeufer, bevor sie in ihre von dicken, hochgewachsenen Kiefern gesäumte Einfahrt bog und vor dem einstöckigen Haus hielt, das sie vor wenigen Monaten gekauft hatte. Sie wusste noch nicht, wie lange sie es behalten würde. Ein Jahr. Vielleicht drei. Oder fünf. Sie hatte lieber Eigentum erworben, als zur Miete zu wohnen, und betrachtete es als Geldanlage. Immobilien in der Gegend um Truly waren heiß begehrt, und falls sie das Haus verkaufen sollte, würde dabei ein hübscher Profit herausspringen.
    Maddie schaltete die Scheinwerfer des Mercedes aus, und Dunkelheit umgab sie. Sie ignorierte das unheimliche Gefühl, als sie aus dem Wagen stieg und über die Treppe die Rundumveranda erklomm, die mit zahlreichen 60-Watt-Glühbirnen erhellt war. Sie hatte vor nichts Angst. Schon gar nicht vor der Dunkelheit, doch sie wusste, dass Frauen, die nicht so wachsam und vorsichtig waren wie sie, durchaus schlimme Sachen passierten. Frauen, die in ihren Umhängetaschen kein kleines Arsenal aus Selbstverteidigungsutensilien
mit sich herumschleppten. Einen Elektroschocker, Pfefferspray, einen Handtaschenalarm und Schlagringe, um nur ein paar zu nennen. Als Frau konnte man nicht vorsichtig genug sein, besonders nachts in einem Provinznest, wo man die Hand nicht vor Augen sehen konnte. In einer Stadt mitten im dichten Wald, wo wild lebende Tiere in den Bäumen und im Unterholz raschelten. Wo Nagetiere mit Knopfaugen nur darauf warteten, bis man ins Bett ging, um über die Speisekammer herzufallen. Maddie hatte zwar noch keine ihrer Selbstverteidigungswaffen einsetzen müssen, doch in letzter Zeit hatte sie sich gefragt, ob sie als Schützin gut genug war, um mit ihrer Elektroschockpistole eine plündernde Maus außer Gefecht zu setzen.
    Im Haus brannten die Lichter, als Maddie die waldgrüne Tür aufschloss, eintrat und hinter sich zuriegelte. Zum Glück huschte nichts aus den Ecken, als sie ihre Handtasche auf einen roten Samtsessel an der Tür pfefferte. Ein Riesenkamin dominierte die Mitte des großen Wohnzimmers und trennte es von dem Raum ab, der zwar als Esszimmer gedacht war, von Maddie aber als Büro genutzt wurde.
    Auf einem Couchtisch vor dem Samtsofa standen Maddies Rechercheordner und ein 13 x 18 Zentimeter großes altes Foto in einem Silberrahmen. Sie griff nach dem Bild und betrachtete das Gesicht ihrer Mutter, ihr blondes Haar, ihre blauen Augen und ihr breites Lächeln. Die Aufnahme war wenige Monate vor Alice Jones’ Tod gemacht worden. Eine glückliche Vierundzwanzigjährige, strahlend und voller Leben, und wie das vergilbte Foto in dem teuren Rahmen waren auch die meisten Erinnerungen von Maddie verblasst. Sie erinnerte sich noch bruchstückhaft an dieses und schemenhaft
an jenes. Sie hatte eine schwache Erinnerung daran, wie sie ihrer Mutter beim Schminken und Kämmen zusah, bevor sie zur Arbeit ging. Sie erinnerte sich an ihren alten blauen Samsonite-Koffer und dass sie von einem Ort zum anderen gezogen waren. Durch das schwache Prisma von neunundzwanzig Jahren hatte sie eine sehr vage Erinnerung an das letzte Mal, als ihre Mutter ihren Chevy Maverick beladen hatte, und an die zweistündige Autofahrt nach Truly. An den Einzug in ihren Wohnwagen mit orangefarbenem Florteppich.
    Die deutlichste Erinnerung, die Maddie an ihre Mutter hatte, war der Geruch ihrer Haut. Sie hatte nach Mandellotion geduftet. Doch hauptsächlich erinnerte sie sich an den Morgen, als ihre Großtante zum Wohnwagenplatz gekommen war, um ihr zu sagen, dass ihre Mutter tot war.
    Maddie stellte das Foto wieder auf den Tisch und lief über den Parkettboden in die Küche. Sie schnappte sich eine Cola light aus dem Kühlschrank und drehte den Verschluss auf. Martha hatte immer gesagt, dass Alice flatterhaft war. Wie ein Schmetterling von einem Ort zum anderen flog, von einem Mann zum anderen, auf der Suche nach einem Ort, an den sie gehörte, und nach der Liebe. Für gewisse Zeit beides fand, bevor sie zum nächsten Ort oder zum nächsten Mann weiterschwirrte.
    Maddie trank aus der Flasche und
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