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Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4
Autoren: Marion Chesney
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jungen
Mann zu verloben. Einem Mr. Archer.«
    Der heitere
Gesichtsausdruck des Pfarrers wich. »Das lassen wir auf uns zukommen«, sagte er
verärgert. »Du bist zu jung, um dir auf eigene Faust einen Mann auszusuchen.
Das überläßt du besser deinem Vater.«
    »Aber Papa,
du hast doch gesagt, daß wir jetzt wohlhabend sind. Du hast gesagt, daß du
nichts mehr von arrangierten Ehen hältst. Du hast gesagt, ich kann jeden
passenden Mann, der mir gefällt, heiraten –«
    »Daran kann
ich mich nicht erinnern«, unterbrach sie der Pfarrer, im Zimmer auf und ab
stolzierend. » Laß mich nur machen. Ich hoffe bloß, daß er nicht ernstlich
krank ist. Jetzt merk dir eins, Daphne! Kein Wort von dem Graben! Soweit es uns
Armitages betrifft, hat er sich die ganze Sache einfach nur eingebildet. Hm,
hm, hm...«
    Der Pfarrer
lief eilig hinaus und ließ Daphne äußerst verwirrt und besorgt zurück. Dieser
Mr. Garfield mußte sehr reich sein. Papa sah ihn offensichtlich schon als
möglichen Schwiegersohn. Und deshalb sollte sie Mr. Archer vergessen.
    Um die
Wahrheit zu sagen, die Gefühle, die Daphne dem schönen Mr. Archer
entgegenbrachte, waren gar nicht so überaus herzlich. Sie genoß vielmehr die
Bewunderung, die sie beide erregten; sie fühlte sich in seiner Gesellschaft
wohl, weil er so zurückhaltend war. Mr. Archer würde sie niemals plump umarmen
und auf den Mund küssen. Mr. Archer hatte niemals auch nur den Wunsch zu
erkennen gegeben, sie überhaupt auf den Mund zu küssen!
    Obwohl ihre
Gefühle also gar nicht so zärtlich waren, spürte sie bei dem Gedanken, daß ihr
Vater ihr keine freie Entscheidung zubilligen wollte, eiskalten, verbissenen
Widerwillen in sich wachsen.
    Sie,
Daphne, war immer eine willfährige, pflichtbewußte Tochter gewesen. Sie hatte
ihr Äußerstes getan, um ihren Vater zufriedenzustellen. Für ihn hatte sie sich
in ein Modepüppchen verwandelt – allerdings, das mußte sie zugeben, war es ihr
keineswegs schwergefallen.
    Sie hatte
gespürt, daß sie den Machenschaften ihres Vaters und seinen gelegentlich allzu
scharfen Bemerkungen dadurch entgehen konnte, daß sie sich mit Schönheit
wappnete. Jetzt hatte es plötzlich den Anschein, als ob sie gegen ihren Willen
zu einer Heirat gedrängt werden sollte, bevor sie auch nur eine Saison
mitgemacht oder sich auf richtigen Bällen amüsiert hatte. Jetzt, wo es so aussah,
als sollten ihr diese Vergnügungen vorenthalten werden, wollte sie unbedingt
eine Saison in London erleben.
    Mr. Archer
wurde in ihren Vorstellungen mehr und mehr zu einem leidenschaftlichen, romantischen
Liebhaber. Sie fand ihn plötzlich geradezu vollkommen; jeden seiner Aussprüche,
an die sie sich nur vage erinnern konnte, legte sie als geistvoll aus, und in
seinen blauen, leeren Augen glaubte sie Leidenschaft entdeckt zu haben. Mr.
Archer erschien ihr nicht mehr als die Zuflucht vor den Wirren der bösen Welt,
sondern als der starke, edle Traummann, der so bald schon verloren sein sollte.
    Aber was
dachte Mr. Garfield? Hatte er sie nicht offensichtlich für schwachsinnig
gehalten? Wäre es daher nicht eine gute Idee, ihn in dieser Annahme zu
bestärken?
    Ein
boshaftes Grinsen, das sie sofort unterdrückte, glitt über Daphnes liebliche
Züge.
    Jede
heftige Erregung machte Falten. So setzte sie ihre übliche ruhige Maske auf und
beschloß sich anzuziehen, hinunterzugehen und den ersten Akt der Komödie
beginnen zu lassen. Vielleicht würde Mr. Garfield ja in seinem Zimmer bleiben.
Aber wenn er kam, dann war sie bereit.
    Es ist
keineswegs selbstverständlich, daß ein Gentleman im Nachthemd eines Pfarrers
furchterregend aussieht, aber genau das schaffte Mr. Garfield, der mittlerweile
rasiert, gewaschen und gekämmt war.
    Der Pfarrer
stand am unteren Ende des großen Bettes, trat von einem Fuß auf den anderen und
schaute drein wie ein begossener Pudel. Mr. Garfield hatte John Summer bereits
zu den Chumleys auf der anderen Seite von Hopeworth geschickt, um seine Reisekutsche,
seine Diener und seine Kleidung zu holen. Sobald sie da seien – so führte er in
eisigem Ton aus –, wolle er aufbrechen und ohne Zweifel die Bekanntschaft mit
Hochwürden vor Gericht fortsetzen. Die Tatsache, daß er es mit einem Vertreter
des geistlichen Standes zu tun hatte, trug noch erheblich dazu bei, Mr. Garfields
Zorn zu steigern.
    Nicht ein
Wort hatte er von der weitschweifigen Erklärung des Pfarrers geglaubt, daß er,
Simon Garfield, vorübergehend seine fünf Sinne nicht beisammen gehabt und
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