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Dampfnudelblues

Dampfnudelblues

Titel: Dampfnudelblues
Autoren: Rita Falk
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Dank. Möge sie an ihrem Apfel ersticken.
    Die Abwesenheit der Gemeindeverwaltung in der Mittagspause nutze ich zu einem kleinen Streifzug durch die Büros. Ich finde sie alle. Jede einzelne Karte. Und lese sie auch. Im Grunde steht aber nichts Außergewöhnliches drauf. Was man halt so schreibt auf Postkarten. Hallo blabla, Wetter blabla, Essen blabla. Dann schreibt sie noch, dass ihr Italienisch jeden Tag besser wird und dass sie viel Arbeit hat, mitsamt ihrem kaputten Arm. Ja, das hätte sie sich halt vielleicht einmal eher überlegen müssen. Weil sagen wir einmal so, einen Haxen hat sie sich hier bei uns nämlich nicht ausgerissen, die Susi. Aber gut.
     
    Nach dem Mittagessen läutet mein Telefon.
    Die Kiosk-Traudl ist dran. Sie hat einen Diebstahl zu melden. Die Traudl hat seit ungefähr einhundert Jahren einen Zeitschriftenkiosk hier im Dorf und ist nach der Mooshammerindie größte Ratschn überhaupt. Oder vielleicht noch vor der Liesl sogar. Nein, sagen wir gleichrangig.
    Wie ich hinkomm, steht sie schon da und hält einen Knirps fest. Also einen Buben, keinen Regenschirm.
    »Ist das der Täter?«, frag ich und muss grinsen.
    Die Traudl nickt.
    »Was hat er denn geklaut, der Hosenscheißer? Einen Kaugummi?«
    »Einen ›Spiegel‹. Na ja, diese Zeitschrift halt.«
    »Er hat einen ›Spiegel‹ geklaut?«
    Jetzt bin ich einigermaßen überrascht, muss ich sagen.
    »Willst du nicht zuerst einmal seine Personalien aufnehmen?«, fragt die Traudl.
    »Personalien? Ja gut«, sag ich.
    »Kevin Rüdiger Wegleitner, Am Hasenanger drei a«, sagt der Bub.
    »Drei a«, sag ich, weil mir jetzt momentan nix anderes einfällt. »Aha. Geburtsdatum?«
    »Dreißigster Fünfter zweitausendeins. Sternzeichen Zwilling, Aszendent Krebs.«
    »Aszendent Krebs. Soso. Und warum klaust du hier einen ›Spiegel‹?«
    »Weil’s den halt sonst nirgends gibt in dem Kaff.«
    »Nein, ich mein, wieso klaust du überhaupt?«
    »Zu wenig Taschengeld.«
    »Das leuchtet ein.«
    »Also, ich muss doch schon sehr bitten, Eberhofer«, mischt sich jetzt die Traudl ein. »Der Bub geht zum Klauen und du machst einen auf verständnisvoll. Da braucht man sich ja nicht wundern, wenn’s mit unserer Jugend bergab geht.«
    »Wenn unsere Jugend mehr ›Spiegel‹ lesen würde, dann tät’s vielleicht erst gar nicht bergab gehen, gell. Da wirdständig geschrien, dass unsere Kinder verblöden, und wenn sie dann was dagegen machen, wird erst recht wieder geschrien.«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Was passiert jetzt mit ihm?«
    »Das hängt ganz von dir ab, Traudl. Er ist jetzt acht. Wenn du eine Anzeige machst, kommt er vermutlich mit zwanzig aus dem Gefängnis.«
    Sie macht keine Anzeige. Weil sie mir nämlich den Blödsinn glaubt. Vielleicht hätte sie auch einmal öfter den ›Spie gel ‹ lesen sollen.
    Ich zahl dem Buben das Heft und bring ihn dann heim.
    »Du weißt aber schon, dass es in manchen Ländern die Todesstrafe gibt auf Diebstahl«, sag ich zu ihm noch so drohenderweise, bevor er aus dem Auto steigt.
    »Nein«, sagt er dann. »Laut Kinderrechtskonvention kann mir gar nichts passieren. Noch nicht einmal wegen Mord oder so was. Und auf Diebstahl gibt’s nirgendwo mehr die Todesstrafe. Auf der ganzen Welt nicht.«
    Aha.
    »Aha«, sag ich. »Ja, dann also, Servus.«
    »Servus«, sagt er und grinst. »Cooles Auto«, hängt er noch dran. Dann steigt er aus und ich fahr los. Ich lass das Blaulicht ein bisschen rotieren. Er steht da und hat seine Zeitung unter den Arm geklemmt. Im Rückspiegel seh ich, wie er mir nachwinkt. Ein echt schlaues Kerlchen.
     
    Dann kommt unvermeidbarerweise die Rückreisewelle und sie rollt auch durch Niederkaltenkirchen hindurch. Das heißt also, ich steh tagelang an der verfluchten Bundesstraße und muss mich um Staus, Umleitungen und Auffahrunfälle kümmern. Die Autofahrer sind gereizt und müde und der ganze Erholungseffekt ist praktisch schon völlighinüber. Dazu kommen womöglich noch die ersten Hautkrebsanzeichen, und das tut halt ihrer Verfassung jetzt auch nicht grad gut. Auf den Rücksitzen streiten nasenbohrende Kinder und die Mütter versuchen, mit Robbie Williams aus dem Radio dem autointernen Chaos zu entkommen. Zweimal muss ich sogar zur Waffe greifen. Das kann man kaum glauben.
    Also, das war ungefähr so: Die Oma und der Papa stehen nämlich auf einmal auch mitten im Stau. Sie wollen heut unbedingt zum Lidl, weil der die Nektarinen im Angebot hat. Und so machen sie sich, nichts Böses ahnend, einfach
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