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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
Autoren: Helmut Schleich
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uns jetzt der alten Stadtgrenze nähern, regiert das Geld in fetten Bauten. Hedgefonds haben hier ihre protzigen Büros, im hell erleuchteten Glasfoyer von BlackRock Investments entdecken wir eine Vitrine voller Statuetten und Pokale, von denen wir aus der Ferne nur vermuten können, welchen Preis sie symbolisieren sollen. Den »Goldenen Entmieter 2009«? Die »Gefräßige Heuschrecke 2011«?
    Wir kommen zum Maximiliansplatz, dieser lang gezogenen grünen Oase mitten in der Stadt, sechsspurig umspült vom Autoverkehr. Die Statuen von Goethe und Schiller und der Wittelsbacherbrunnen sind schon im winterlichen Holzmantel verschwunden, das schütter werdende Laub der Bäume ist herbstlich gelb und braun.

    Alles wird gut
    Dahinter beginnt die Innenstadt. Mit einem schwedischen Edeleinrichter namens »carpe diem«, der »Geschäftszeiten nach Vereinbarung« hat, der Zentrale der von Stoiber nach Italien verschacherten Vereinsbank, dem Erzbischöflichen Palais … hier riecht es förmlich nach Geld und Macht.
    Hinüber zu den Fünf Höfen, über deren Eingang schon ein kalt leuchtender LED-Engel an der Wand hängt. Im Café der Hypo-Kunsthalle beugen sich alte Damen über kleine Tische, Hüte auf den Köpfen, die sie auch beim konzentrierten Hineinschaufeln von Apfelstrudel (zusammen mit einer Tasse Kaffee heute im Angebot) nicht abnehmen.
    Wir verlassen die Fünf Höfe auf der anderen Seite, gehen hinüber zur Oper. Die Residenzpost, ein frisch aufgehübschtes, vor Kurzem von einem russischen Milliardär aufgekauftes ehemaliges Postamt, entblättert sich gerade seines Baugerüsts. Osteuropäische Bauarbeiter ziehen aus, Louis Vuitton zieht demnächst ein. Und Gastronomie natürlich. Leichte kalifornische Küche wird versprochen – was auch immer das sein mag. Ganz oben, wo früher die Fräulein vom Fernamt Telefonverbindungen stöpselten, sind jetzt Wohnungen entstanden, 50 Euro Monatsmiete pro Quadratmeter – man darf gespannt sein, was für ein geldiges Gschwerl so ein Angebot wieder anzieht. In den Nymphenburger Höfen – was hat die Stadt eigentlich mit diesen Höfen? – , einem ähnlichen Neureichen-Areal auf dem ehemaligen Produktionsgelände des längst an einen amerikanischen Konzern verscherbelten Löwenbräu, beschweren sich schon einige Erstbezugsschnösel, dass ihnen die Hochglanzprospekte ein urbanes Wohngefühl inmitten des pulsierenden Lebens der Maxvorstadt versprochen hätten und sie nun ein überteuertes Geisterhaus bewohnten.
    Ja mei, kann man da nur sagen, es gibt halt immer jemanden, der noch reicher ist als man selbst und der sich das Penthouse mit Alpenblick als Drittwohnung mal schnell aus der Portokasse kauft, um zweimal im Jahr auf der Maximilianstraße gepflegt shoppen zu gehen, und es den Rest des Jahres leer stehen lässt.
    Vorbei an der Oper tröpfeln wir in die Residenz, ebenfalls eine sich gerade häutende Baustelle, die in diesem Zustand aussieht wie nach dem Krieg. Bauzäune fallen, Schutt liegt herum. Ein paar Tage, vielleicht nur ein paar Stunden, dann ist auch hier wieder alles blitzsauber.
    »Jou, kuck ma rein«, sagt uns ein hanseatisch schnarrender Bauarbeiter im Vorübergehen. »Das siehste hier so schnell nicht wieder.«
    Auf einen Bauzaun im Inneren der Residenz sind bayerische Herrscher aus vielen Jahrhunderten gepinselt, von König Ludwig III. geht die Reise zurück in die Vergangenheit, bis sie bei Herzog Wilhelm anlangt, einem etwas mitgenommen dreinschauenden Wittelsbacher, der 1516 das bayerische, von Beck’s & Co längst als das »deutsche« reklamierte Reinheitsgebot erlassen hat.

    »Das siehste hier so schnell nicht wieder«
    Wir stellen uns vor, wie es wohl zu diesem Reinheitsgebot gekommen ist, eines Morgens in der Münchner Residenz, in jenem Frühjahr 1516 und sofort erfinden wir eine kleine Kabarettnummer mit einem versoffenen Herzog und seinem fürsorglichen Lakaien (siehe Zwischenstopp Kabarett).
    Eigentlich wär’s eine schöne Zeit für München, dieser langsam sich dem Ende zuneigende November mit seiner Kälte, seinem Nebel, seiner unverschämt früh hereinbrechenden Dunkelheit. Die Straßen rings um die Residenz sind – eine Seltenheit – fast ausgestorben. Erst jetzt, wenn sich das an Franziskaner, Manufactum und Dallmayr vorbeiziehende internationale Touristen- und Profishopper-Völkchen witterungsbedingt ausgedünnt hat, kriegt man wieder ein Gefühl dafür, wie diese Stadt noch vor ein paar Jahrzehnten war – ruhiger, weniger hip, irgendwie
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