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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
Autoren: Helmut Schleich
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unterlaufen, meine sehr verehrten Damen und Herren, da muss ich mich korrigieren: natürlich mündet die Von-der-Tannstraße in den Franz-Josef-Strauß-Ring. So rum wird ein Schuh daraus. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.«
    So weit, so gut, aber eigentlich müsste FJS den Bonner Straßenbenamungsbeamten sogar dankbar sein: Theoretisch hätte die Franz-Josef-Strauß-Allee nämlich auch in eine Rudolf-Augstein-Straße oder einen Helmut-Kohl-Platz münden können, und diese posthume Begegnung mit seinen alten Widersachern würde ihn erst richtig rotieren lassen in seiner Gruft in Rott am Inn.
    Aber zurück zu unserem – vielleicht aus der Ursuppe eines bayerischen Gen-Pools stammenden – Fremdheitsgefühl in deutschen Städten oberhalb des Weißwurstäquators. Als der große Vorsitzende Strauß wieder aus ihm ausgefahren ist, erzählt Helmut auf der Rückbank des immer noch durch Bonn fahrenden Taxis, dass er bei Gastspielen im Ruhrgebiet schon oft als »Roter« betituliert wurde. Nicht politisch, nein, fußballmäßig. Ein »Vizekaiser Franz« sei man, immer mit dem Nachsatz: »Ha, ha, Vize!« Ganz gleich, ob man jetzt wirklich jeden Samstag in der Allianz Arena einer von Boateng bis Ribéry urbayerischen Millionärstruppe zujubelt oder Arien Robben für einen singenden Seehund hält, man wird als Münchner sofort in dieses rote Zwangstrikot gesteckt, und das behält man an, ob man will oder nicht. Trikottausch ausgeschlossen. Aus der Ferne betrachtet schaut halt vieles anders aus.
    Oder man steht in der großen Bonner Kabarettbühne Pantheon nach der Vorstellung am Tresen und trinkt ein Mineralwasser. Dann kann man mit einer 50-zu-50-Chance davon ausgehen, dass einen von hinten ein rheinisch-vorlauter Zuschauer anquatscht: »Dat is aber kein bayerisches Jetränk!«. »Klar«, möchte man da am liebsten sagen, »der Bayer säuft von früh bis spät rülpsend Bier in sich hinein, frisst kiloweise Leberkäs, Weißwürste, Knödel und Brezen, wenn er nicht gerade schuhplattelnd in einer Wahlkabine steht und es trotz seiner wilden Verrenkungen immer wieder schafft, sein Kreuzerl bei der richtigen Partei zu machen.«
    Manchmal ist es direkt putzig, wie man als bayerischer Kabarettist jenseits der weiß-blauen Grenzpfähle angesehen wird. Da kündigen einen weniger versierte Veranstalter gerne mal in der Presse als »bayerisches Urvieh« an, und so wird man dann auch behandelt: wie ein Prachtexemplar einer sehr seltenen, irgendwie auch vom Aussterben bedrohten Spezies, deren Fortbestand in fremden Lebensräumen man nur durch sorgsam ausgeklügelte, artgerechte Behandlung sichern kann.
    »Wollen Se ’n Weizenbier?«, tönt es einem da in einem fort entgegen. »Wir ham auch Brezzel da!« Einmal hieß es sogar: »Unser Fleischer hat extra Weißwürste gemacht!« Fehlt bloß noch, dass einer sich anbietet, aus dem Supermarkt noch rasch eine Dose Bayernfutter holen zu lassen. Und dann gibt es noch die Veranstalter, die Helmut vor dem Auftritt mit stolzgeschwellter Brust in den noch leeren Zuschauerraum führen, den sie extra zu seinen Ehren geschmückt haben wie ein bayerisches Bierzelt – oder sagen wir besser: wie das, was sich ein Nichtbayer unter einem bayerischen Bierzelt vorstellt. Es fehlt nur noch, dass aus dem Lautsprecher in der Garderobe bayerische Blasmusik oder die Wildecker Herzbuben tönen.
    Woher kommt diese exotische Sonderbehandlung, die zwar ein großes Erheiterungspotenzial in sich birgt, einen unter dem Strich aber doch eher befremdet? Würden dieselben Veranstalter einen ähnlichen Zirkus aufführen, wenn ein Kabarettist aus Paderborn, Wolfenbüttel oder Magdeburg zu ihnen kommt? Würden sie alles tun, um ihm Garderobe und Bühnensaal in ein Klein-Nordrhein-Westfalen, ein Mini-Niedersachsen oder ein wie auch immer geartetes Sachsen-Anhalt-Biotop zu verwandeln?
    Liegt es daran, dass wir Bayern uns nur allzu gerne in unserer Sonderrolle als eigentümlich-schräges Bergvolk am Rande der Alpen sehen, nicht mehr Deutschland, aber auch noch nicht Österreich? Machen wir uns selbst zu den Urviechern, die so fest in ihrer Heimaterde verwurzelt scheinen, dass kein noch so starker Sturm des Zeitgeistes sie wegzublasen vermag? Verwechseln wir, wie manche unserer Landsleute, rustikalen Charme mit Ignoranz und halten alles für bescheuert oder sogar gefährlich, was von außen in die vermeintlich heile Welt unseres Freistaats hineinkommt? Sind wir irgendwo ganz tief in unserem bayerischen Inneren vielleicht alle
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