Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
Autoren: Helmut Schleich
Vom Netzwerk:
»normal«.
    Aber lange wird das nicht so bleiben. In den Höfen der Residenz stellen bereits große Kräne in Fertigteilen angelieferte Christkindlmarkt-Buden auf, mit Fässern, auf denen »Heidelbeerglühwein« und »Eierpunsch« steht, und in der Mitte des Ganzen hockt eine ins Gigantische aufgeblasene Nachbildung eines Kerzenwärme-Drehrads aus dem Erzgebirge, ein Kitschmonster, das mit seinem Holzpropeller wie ein Helikopter-Albtraum von Daniel Düsentrieb aussieht. In spätestens einer Woche werden sich hier mit Dallmayr-Tüten bepackte Vorweihnachtszombies gegenseitig irgendein pappsüßes Horror-Gebräu über die Designer-Klamotten schütten.
    Warum, so fragen wir uns, kann man in dieser Stadt nicht wenigstens ein paar Wochen im Jahr a Ruah geben? Warum müssen überall und zu jeder Zeit, sommers wie winters, irgendwelche Buden und Bühnen aufgebaut werden, warum muss die Stadt mit Klassikkonzerten und Freilichtkino beschallt und mit Hamburger Fischmarkt, Energiesparmeilen, künstlichen Skiabfahrten und mobilen Eislaufbahnen bespaßt werden, ganz zu schweigen von bombastischen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit? Warum kann es nicht öfter so still sein wie jetzt im Hofgarten, wo Kälte und Dunkelheit Boule-Spieler und Tangotänzer wenigstens temporär vertrieben haben?
    Wir schreiten auf knirschenden, finsteren Wegen, wo dereinst Könige und ihre Gäste gelustwandelt sind, hinüber zu dem kleinen Pavillon mit seinen Muschelfresken, jetzt nur eine rundliche Silhouette vor dem Nachthimmel. Kein Mensch begegnet uns, nur ein strawanzender Hund, der weder uns noch die Rufe seines weit entfernten Frauchens beachtet .
    Wie ein breiter Riegel liegt die Staatskanzlei direkt vor uns, ein Gebäude, groß genug, um von dort aus ein ganzes Weltreich zu regieren. Im Turmstüberl hoch oben in der Kuppel ist noch Licht. Ob da jetzt der Seehofer sitzt und sich wieder eine seiner schrulligen Wetterhahn-Kapriolen zusammendrechselt? Befindet sich dort oben am Ende sogar das Zirbelstüberl, das sich Franz Josef Strauß’ direkter Nachfolger Max Streibl dem Vernehmen nach in die Staatskanzlei hat einbauen lassen?
    Strauß selber hat sich mit Zirbelstüberln nicht abgegeben. Der wollte seiner Staatskanzlei noch riesige Seitenflügel anbauen lassen, gegen die König Ludwigs Herrenchiemsee selbst in seiner größten Ausbaustufe wie ein Kinderschloss aus Lego-Bausteinen gewirkt hätte. Einen Flügel für den Max, einen für die Monika, ich hocke im Hauptbau, und für den Franz Georg werden wir auch noch was finden. Vielleicht ist das Flügelanbauen bei bayerischen Herrschern eines der ersten Symptome dafür, dass sie langsam dem Größenwahn anheimfallen.

    Im Intrigantenstüberl brennt noch Licht
    Die Rückfahrt nach Schwabing machen wir mit einer Trambahn, die so voll ist wie ein Überlandbus in der Dritten Welt. Bis auf den letzten Platz besetzt, sodass wir Mühe haben, uns zusätzlich hineinzuquetschen. Fehlt nur noch, dass Fahrgäste oben auf dem Dach sitzen. Aber wir brauchen das Geld in dieser Stadt ja für was anderes, oder etwa nicht?

Zwischenstopp Kabarett:
    Die Wahrheit über das Reinheitsgebot
    (Ankleidezimmer des Herzogs. Eine Tapetentür fliegt auf, der Herzog stolpert herein, verkatert.)

    Herzog Wilhelm: Eieieieieieiei. Ououououououou.
    Was war denn des gestern wieder?? Ich hätt des einundzwanzigste Bier weglassen sollen! Ein Hagebuttenbier. Wer sauft denn so was!
    Lakai: Majestät, woll’n ma a Supperl, des richt’ Eana z’samm …
    Herzog Wilhelm: Hör mir auf, wenn ich jetzt was iss, dann speib ich gleich!
    Lakai: Aber Majestät ham ja an Termin. Der hochwürdige Herr Fürstbischof aus Freising kommt gleich.
    Herzog Wilhelm: So wie der gestern Abend beieinand war, kommt der nicht vor Mittag. Außerdem war des Zeug ja aus seiner Brauerei!
    Lakai: Aber die Regierungsgeschäfte, Majestät …
    Herzog Wilhelm: Ja, da kannst gleich einmal aufschreiben: Wer mir noch einmal einen Rausch ins Bier tut, wird fürderhin bestraft. Schreib auf: Ins Bier darf nur noch reiner Alkohol! Ich erlasse ein Reinheitsgebot. So was wie die fürstbischöfliche Hagebuttenbrühe gestern, des passiert mir nicht noch einmal!
    Lakai: Aber reiner Alkohol, dann wird’s ja noch ärger, was zum Abfedern braucht’s schon …
    Herzog Wilhelm: Abfedern, sehr gut. Dann tuts Federn nei ins Bier, Huhn, Gans, Ente, mir wurscht, Hauptsache, koan Rausch mehr – ououou, hab ich einen Schädel auf!
    Lakai: Soll ich Majestät ein Glaserl Milch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher