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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
Autoren: Helmut Schleich
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glänzte es mit Statussymbolen wie einer Portierloge im Erdgeschoss und einem eigenen Dienstmädchen für jede Etage.
    Kein Wunder, dass das Savoy eine Zeit lang für gewisse Kreise eines der angesagtesten Quartiere der Stadt war, und auch nach seiner Blütezeit in den 60er- und 70er-Jahren galt es noch als Treffpunkt für die Prominenz. Bernd Eichinger hatte im Hinterhof seine erste Filmfirma, Arnold Schwarzenegger, Hildegard Knef, Alexander Kluge und der unvermeidliche Franz Josef Strauß gingen beim Edel-Italiener im Souterrain ein und aus (aber bei welchem Edel-Italiener in München ging FJS eigentlich nicht ein und aus?). Während man im Untergeschoss Lasagne al forno als letzten Schrei italienischer Küchenkunst feierte, machte sich oben im 5. Stock eine nach dem Krieg verarmte Leni Riefenstahl auf einem Esbit-Kocher ihr Süppchen warm und trauerte alten Zeiten nach, in denen sie eine ganze Nation für ihre unter der Patronage von Adolf Hitler gedrehten Reichsparteitags- und Olympia-Streifen feierte.
    Gespenster der Vergangenheit, auch in der nahen Schellingstraße. Spurensuche nach der Metzgerei Strauß, dem Wirkungsort des Vaters eines berühmten Sohnes in der Schellingstraße 49. Aber dort, wo der kleine Franz Josef dem Papa beim Wursteln half, ist nichts … neben dem Schild mit der 47 kommt sofort die 51, die Nummer 49 ist spurlos verschwunden. Ist sie zusammen mit FJS zum Himmel aufgefahren? Wurde sie vom Erdboden verschluckt, als er das Zeitliche segnete?
    Sehr substanziell vorhanden ist noch der Schellingsalon, in dem der spätere Atomminister seinem Vater an der Gassenschänke das Bier holte und in dem Adolf Hitler, einstmals Stammgast, angeblich Hausverbot bekam, weil er zu häufig seine Zeche schuldig blieb. Heute hat der »Salon« Ruhetag. Das verkünden zugezogene Rautenvorhänge in den Münchner Farben Schwarz und Gelb, die der Globaldepp von heute vermutlich für einen Fehldruck der bayerischen Landesflagge hält.

    Leberkäs für Adolf Hitler?
    Ach, übrigens, Preisfrage: Was war in der Schellingstraße 50, schräg gegenüber von der Metzgerei Strauß? Die erste Parteizentrale der NSDAP, bevor sie ins Braune Haus an der Briennerstraße verlegt wurde, und außerdem das Atelier von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann, in dem er 1929 dessen Angestellte Eva Braun kennenlernte.
    »Da kommt der Chef herein und mit ihm ein Herr von gewissem Alter mit einem komischen Bart und einem hellen englischen Mantel, einen großen Filzhut in der Hand«, schreibt die spätere Hitlergattin in ihren Memoiren. »Ich schiele zu ihm hinüber und merke, dass der Mann auf meine Beine schaut. Hoffmann stellt vor: ›Herr Wolf – unser braves, kleines Fräulein Braun. Eva, hol uns aus der Gastwirtschaft an der Ecke Bier und Leberkäs.‹«
    Leberkäs? Für den Vegetarier Hitler? Womöglich noch aus der Metzgerei Strauß? Fragen über Fragen …
    Wir verlassen die Schellingstraße – in der auch der Völkische Beobachter und Mein Kampf gedruckt wurden – und wandern weiter zum Alten Nördlichen Friedhof. Dort werden wir schon bei der Annäherung an den aufgelassenen Gottesacker von ein paar Männern angegiftet, die, in dicke Jacken gehüllt, große, hölzerne Schachfiguren über ein steinernes Spielbrett schieben. »Was wollts ihr mit der Kamera?« Bestimmt nicht eure Daunenwänste fotografieren, eher die Graffiti, die jemand an die rotbraunen Backsteinwände des Friedhofs gesprüht hat – in diesem geschleckten Viertel eine Seltenheit, die dokumentiert gehört.
    Ein gut 70-jähriger, weißbärtiger Radfahrer surrt gefährlich nahe an uns vorbei, freihändig zirkelt er sein hochmodernes Mountainbike über das vom Herbstlaub glitschige Kopfsteinpflaster. Drinnen im Friedhof schälen sich Jogger aus dem zwischen den Gräbern aufsteigenden Nebel, ziehen splittknirschend ihre ewig gleichen Runden, während ihre von Sensoren in den Laufschuhen gesteuerten Smartphones jede Kalorie aufzeichnen, die sie zwischen den verwitterten Grabsteinen verbrennen.
    Hinter ihnen dämmert das alte München, das alte Bayern, dem Verfall entgegen. Grabmonumente mit den Büsten bedeutend dreinblickender Männer, deren Namen auf dem Stein darunter so verwittert sind, dass man sie nicht mehr lesen kann. Statuen von weinenden Müttern und traurigen Engeln, denen jemand schon vor langer Zeit die Flügel abgebrochen hat. Auf einem Grabstein erahnt man noch einen Raupenhelm, die Kopfbedeckung der bayerischen Armee, bevor ihr 1896 die preußische
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