Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz
Autoren: Julia Talbot
Vom Netzwerk:
bis die funkelnden Punkte plötzlich einen Sinn ergaben: das Sternbild des Skorpions.
    Etwas blitzte auf an den schwarzen Kraterwänden. Dann funkelte es auf der anderen Seite. Als ob sie sich geheime Morsezeichen gäben, glitzerten Lichter auf und schienen sich gegenseitig zum Leben zu erwecken. Ihr Widerschein spiegelte sich auf der Oberfläche des Sees und gab ihm plötzlich Tiefe. Es war, als würde eine zweite Kuppel unter seiner Oberfläche entstehen, gebildet aus der Spiegelung der funkelnden Kraterwände. Und plötzlich wusste Anna, was diese Sterne zu bedeuten hatten und wo sie war.
    Der Saal des Zodiak.
    Es war so weit. Sie spürte eine unendliche Sehnsucht in sich. Einen so süßen Schmerz, dass sie glaubte, zerspringen zu müssen. Ich will, dachte sie. Ich will es jetzt. Jetzt!
    Ich will!
    Wieder begann sich die Oberfläche des Sees zu kräuseln. Ganz unten bewegte sich etwas. Anna konnte nicht unterscheiden, ob es tatsächlich aus der Tiefe des Sees kam oder aus der Höhe über ihr. Die Kraterwände und ihre Spiegelung dehnten sich aus zu einer gewaltigen Kugel. Die Sternbilder bewegten sich. Sie zogen immer schneller vorbei. Anna kam es vor, als würde sie in der Mitte eines riesigen Kreisels schweben. Die Sterne wirbelten so schnell vorbei, das sie sich wie glühende Schlangen auf ihre Netzhaut brannten. Ein taumelnder Wirbel aus Licht, und in der Mitte schwebte seltsam ruhig und unbeteiligt ihr Körper. Eine Gestalt löste sich aus der Tiefe. Langsam stieg sie empor, immer näher. Die Wellen auf der Oberfläche des Sees wurden größer; siekonnte nicht erkennen, wer es war; aber sie fühlte, dass er kam, zu ihr kam, in sie kam; sie neigte sich der Oberfläche entgegen in dem Moment, in dem er sie auch erreichte, tauchte ein; spürte, wie sie sich auflöste und wiederfand. Ein Glücksgefühl durchströmte sie, wie sie es noch nie zuvor empfunden hatte. Sie waren ein Wesen, eine Gestalt; sie schwebten genau in der Mitte von Oben und Unten; von Einst und Jetzt, von Vergangenheit und Zukunft, sie waren in der Ewigkeit, und sie waren zusammen.

23 .
    A nna spürte etwas Unangenehmes an ihrem Rücken. Es piekste und drückte. Sie wollte das nicht. Sie wollte weiter von der Erinnerung an etwas Wunderschönes träumen, und sie wollte nicht aufwachen. Doch jetzt breitete sich dieses Gefühl über ihren Po aus, die Rückseite ihrer Beine, die Arme, und schließlich den Kopf. Es war, als hätte man sie nach Monaten der Schwerelosigkeit plötzlich unsanft auf den Boden fallen lassen.
    Sie fröstelte. Mit geschlossenen Augen tastete sie über ihren Körper. Sie war nackt. Jemand musste sie in diesem Zustand auf die Erde gelegt haben, direkt auf Steine, Disteln und verdorrtes Gras. Neben ihrer Schläfe lag eine zertretene Coladose.
    Mit einem Stöhnen versuchte sie, auf die Beine zu kommen. Es gelang ihr erst nach mehreren Versuchen. Taumelnd lief sie ein paar Schritte und versuchte, sich zu orientieren. Es musste früher Morgen sein. Der Horizont leuchtete zartrot; am Himmel verschwand gerade ein dunstiger Mond. Sie befand sich auf einem Hochplateau, in dessen Mitte sich sanft ein gewaltiger Krater senkte. Der Ätna.
    Aber warum war sie nackt? Sie schlang die Arme um den Oberkörper, um sich wenigstens etwas zu wärmen. Das Zittern hörte nicht auf. Vermutlich war es auch noch eine Reaktion auf das, was in dieser Nacht geschehen war. Ihr Verstand weigerte sich,es zu begreifen; ihr Körper stand unter Schock. Zwei Wesen waren ineinander versunken, die Erinnerung an dieses Gefühl konnte man nicht mehr vergessen. Sie hatte eine Sekunde der Ewigkeit berührt und sich mit Weller vereint, wie noch nie zwei Menschen sich gefunden hatten. Aber wo war er?
    Sie musste nicht lange suchen. Er stand am Rand des Kraters und drehte ihr den Rücken zu. Gerade tasteten sich die ersten Sonnenstrahlen in den neuen Tag, und es sah so aus, als wollte er diesen Moment ganz für sich genießen. Anna blieb stehen, um ihn nicht zu stören. Auch er war nackt, doch plötzlich kam ihr das völlig natürlich vor. Ein bisschen wie Adam und Eva am ersten Schöpfungstag, dachte sie. Kein Wunder, inmitten dieser steinigen Einöde waren sie die beiden einzigen Menschen. Sie war froh, diese Minuten zu haben, in denen sie ihn ungestört betrachten konnte. Seine Haare wehten wild und ungezähmt im Morgenwind. Nichts erinnerte mehr an die steife Korrektheit, mit der er sie einst so beeindruckt hatte. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schien
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher