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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz
Autoren: Julia Talbot
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die frische Luft in tiefen Zügen einzuatmen. Sie beobachtete, wie sein breiter Brustkorb sich hob und senkte. Ganz locker und gelöst stand er da, ein Krieger nach gewonnener Schlacht, und der Anblick löste in Anna den brennenden Wunsch aus, ihn zu berühren. Ein Bildhauer müsste genau diesen Moment einfangen, und er hätte den Gott von Liebe und Sieg geschaffen.
    »Komm her.«
    Er hatte sie nicht gesehen, aber gespürt. Anna lief auf ihn zu und schmiegte sich in seine Arme. Seine Haut war kühl und glatt; er duftete nach Pinien und der Glut von brennendem Holz. Es war gut, ihn zu spüren. Statt ihn zu küssen, genoss sie einfach nur seine Nähe. Es war das reine, schiere Glück. Anna hatte noch nicht einmal geahnt, dass so etwas existierte.
    Sie sah hinunter. Der Krater lag still und unschuldig zu ihren Füßen. Dem Vulkan sah man nicht an, welches Innenleben er verbarg. Sie schauderte wieder, und Weller zog sie noch näher an seine Brust, hielt sie fest und wiegte sie sanft in seinen Armen.
    »Einneuer Tag«, flüsterte er. »Ein neues Leben.«
    Sie hob den Kopf und grinste ihn an.
    »Heißt das, du hast Verlängerung bekommen?«
    »Ich fürchte ja.«
    Er sah immer noch ernst aus, doch seine Augen betrachteten sie voller Wärme.
    »Du fürchtest? Das ist doch eigentlich ein Grund zur Freude. Champagner!«
    Sie lachte, weil in dieser Wildnis weit und breit noch nicht einmal ein Tropfen Wasser aufzutreiben war. Sie mussten sich langsam an den Abstieg machen. Wenn sie noch länger hier oben blieben, würden sie den ersten Touristen einen gehörigen Schreck einjagen.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    Sie nahm diese Worte in sich auf, ohne das Gefühl zu haben, sie erwidern zu müssen. Alles fühlte sich richtig an. Selbst, nach so einem Geständnis einfach nur gemeinsam zu schweigen. Lange hielt sie das aber nicht aus. Spitzbübisch grinste sie ihn an.
    »Auch, wenn ich alt und runzelig bin und du immer noch der blendend aussehende, ewig junge, mega-erfolgreiche Milliardär?«
    »Auch dann.« Er zog sie wieder an sich, drückte ihr einen Kuss auf das völlig verfilzte und verklettete Haar, und ließ sie los. »Wir müssen runter. Ich habe eine Menge zu erledigen.«
    »Was denn?«, fragte sie. Sie hatte gehofft, wenigstens diesen Tag gemeinsam mit ihm zu verbringen.
    »Ich muss mich quasi wieder anmelden. Dafür ist eine Menge Papierkram nötig. Außerdem bin ich kommissarischer Imperator von Nord- und Lateinamerika. Auch dafür muss ich autorisiert werden.«
    »Oh.«
    Anna warf einen letzten Blick hinunter in den Vulkan.
    »Sie ist also wirklich … weg?«
    Das Wort tot kam ihr im Zusammenhang mit Sandrine nicht überdie Lippen. Dafür hatte ihr die Imperatorin zu viel von ihrer Macht gezeigt.
    »Ja. Sie ist tot. Ich weiß nur nicht …«
    Auf Wellers glatter Stirn bildeten sich Falten, als er mit zusammengekniffenen Augen ebenfalls hinunter in den Vulkan blickte.
    »Was weißt du nicht?«
    Doch er antwortete nicht. Das war ein beunruhigendes Zeichen.
    »Was? Kommt sie noch einmal wieder oder nicht?«
    Plötzlich spürte sie, wie ein kalter Windhauch ihren Nacken streifte. Hatte Sandrine eine Art Wiedergänger-Gen, das ihr erlaubte, mehrere Tode zu sterben?
    »Nein, sie kommt nicht wieder. Wir sterben alle nur einmal.«
    Aber das war nicht die ganze Antwort. Anna spürte, dass noch etwas im Raum stand. Doch sie kam nicht dazu, Weller weiter zu befragen. Vom Trampelpfad her näherten sich fröhliche Stimmen.
    »Da kommt jemand! Wenn man uns so sieht!«
    Jetzt war Weller an der Reihe, anzüglich zu grinsen. »Dann hätte sich der Aufstieg für sie ja gleich doppelt gelohnt.«
    Aber Anna wollte sich nicht anstarren lassen. Hektisch sah sie sich um, aber noch nicht einmal das berühmte Feigenblatt lag irgendwo herum. Einzig und allein einige Felsbrocken würden etwas Schutz bieten, aber nur so lange, wie die Touristen nicht die Hochebene betraten.
    »Das ist nicht lustig«, zischte sie ihn an.
    Im Vergleich zu Weller, der nackt sogar noch besser aussah als angezogen, fühlte sie sich unwohl. Aber es half nichts, sie musste dem Verhängnis ins Auge blicken. Weller nahm sie an der Hand und zog sie mit sich, genau auf die Stimmen zu, die wohl ebenfalls einem Mann und einer Frau gehörten. Als sie die letzten Büsche, die ihnen noch als Deckung dienen konnten, umrundeten, kniff Anna die Augen zu. Eine dämliche Taktik, aber immer noch besser, als die erstaunten, belustigten oder auch schockierten Blickevon unschuldigen
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