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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz
Autoren: Julia Talbot
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perfekt, sondern geradezu umwerfend menschlich. Er beugte sich vor und griff nach ihrem Unterarm. Die Berührung löste einen winzigen Elektroschock in Anna aus. Gleichzeitig roch sie wieder sein dezentes Aftershave.
    »Hören Sie«, raunte er.
    Seine Stimme tröpfelte wie warmer Honig in ihr Ohr, alle Härchen auf ihrem Unterarm richteten sich auf. Sein Griff war tro ckenund fest, als ob er ihr allein damit schon ein Versprechen geben wollte.
    »Sie brauchen einen Job?«
    Nein, ich brauche dich.
    Noch im selben Moment, in dem dieser Gedanke durch ihren Körper raste, wusste sie, dass er ihn spüren konnte.
    Oder hören, oder sehen, oder was auch immer.
    Sie zog ihren Arm so schnell weg, als hätte sie sich verbrannt. Es war, als ob man eine Verbindung kappen würde.
    »Nein, äh … ja, eigentlich ja.«
    War sie denn schon derart ausgehungert, dass eine einfache Berührung reichte, um Kaskaden von Gefühlswallungen in Gang zu setzen? Unwillkürlich rieb sie mit der Hand über die Stelle, an der er sie berührt hatte. Fast erwartete sie, den Abdruck seiner Finger auf ihrer Haut zu entdecken. Weller setzte seine Sonnenbrille wieder auf. Obwohl sie seine Augen nicht erkennen konnte, wusste sie, dass er sie ansah.
    »Besorgen Sie mir die Speicherkarte. Bis heute Abend. Wenn Ihnen das gelingt, lasse ich Sie an mein Image heran. Und danach vielleicht sogar an meinen Charakter.«
    Er lächelte, als ob er einen charmanten Witz gemacht hätte. Anna schluckte. Dank Sandrine hatte sie ihre Lektion gelernt.
    »Ich neige nicht dazu, für meine Jobs in Vorleistung zu gehen.«
    »Zu was neigen Sie dann?«
    »Zu klaren Absprachen.«
    Weller trank den Espresso aus, legte einen Geldschein auf den Tisch und stand auf.
    »Heute Abend. Einundzwanzig Uhr. Die Casino-Suite im Grand Hotel.«
    Er beugte sich zu ihr hinab. Erschrocken fuhr Anna eine Winzigkeit zurück. »Klarer wird es nicht.«

2 .
    V icky schüttelte ein ums andere Mal ihre dunkle Lockenmähne.
    »Erzähl es noch mal. Bitte!«
    »Nein. Ich habe es dir schon drei Mal erzählt. So ein Erlebnis verliert, wenn man es breitwalzt wie Nudelteig.«
    Nachdem Weller gegangen war, hatte Anna so lange seiner aufrechten Gestalt hinterhergesehen, bis Vicky vor ihr auftauchte und mit der flachen Hand mehrmals vor ihrem Gesicht gewedelt hatte.
    »Aufwachen! Was ist passiert? Was hat er gesagt?«
    Sie musste Vicky Wort für Wort die gesamte Unterhaltung mit Weller wiederholen. Und natürlich wollte ihre Freundin eine plausibel klingende Erklärung, was um alles in der Welt Anna dazu getrieben hatte, ausgerechnet diesen Mann als potentiellen Auftraggeber anzusprechen.
    »Aber du hast es doch selbst vorgeschlagen«, versuchte Anna sich zu rechtfertigen.
    »Ja! Aber ich habe doch nie damit gerechnet, dass du es tatsächlich tust!«
    Nein, wahrscheinlich rechnete schon kein Mensch mehr damit, dass Anna etwas tun würde, das nicht direkt in einer Katastrophe endete.
    Wenn sie nur an diese verdammte Speicherkarte herankam.
    Daswar wohl der Tag der großen Herausforderungen. Vicky hatte nun endlich mit ihren bohrenden Fragen aufgehört und manövrierte den Wagen durch den immer dichter werdenden Mittagsverkehr. Ihr Büro lag am anderen Ende der Altstadt, und die Verkehrsabsperrungen machten viele mühsame Umwege nötig.
    »Als ob der Kaiser von China erwartet wird«, sagte Vicky und beobachtete ungeduldig einen Streifenpolizisten, der mit ausgebreiteten Armen den Gegenverkehr durchwinkte.
    »Den gibt es nicht mehr«, erwiderte Anna.
    Sie hatte ihre Brille aufgesetzt und blätterte sich durch den Wirtschaftsteil einer Zeitung, die sie aus dem Kurpark-Café hatten mitgehen lassen. Vicky warf ihr einen ärgerlichen Seitenblick zu.
    »Lesen bildet. Allerdings nur, wenn man es mit einer gewissen Regelmäßigkeit tut. Bis heute Abend wirst du jedenfalls nicht mehr zur Wirtschaftsweisen mutieren.«
    Anna seufzte und stopfte die Zeitung in das völlig zugemüllte Handschuhfach. Vicky hatte recht. Sie und Weller sprachen nicht die gleiche Sprache. Zumindest was das fragile Gefüge internationaler Finanzmärkte betraf. Wovon sie allerdings Ahnung hatte, war, die Stärken und Schwächen eines Gegenübers zu analysieren und das Beste aus beidem herauszuholen.
    In puncto Selbstbewusstsein musste sie bei Weller nicht ansetzen. Davon besaß er mehr als genug. Der Mann hatte einen messerscharfen Verstand und ein Herz aus Granit. Darüber hinaus besaß er die Fähigkeit, seinem Gegenüber das Gefühl zu geben,
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