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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman
Autoren: Edith Wharton
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einige unter dem Titel Verses 1878 in einem privat gedruckten Bändchen, im Selbstverlag sozusagen, herauskamen. Da war sie sechzehn und bereits weit gereist, denn ihre Familie hatte während ihrer Kindheit sechs Jahre in Europa verbracht. Edith sprach fließend Französisch, und auch ihr Deutsch war passabel. Bei aller geistigen Unabhängigkeit hatte sie sich den gesellschaftlichen Zwängen der Zeit und der oberen Schichten zu beugen. Sie ging in keine Schule, sondern wurde von einer Gouvernante unterrichtet und benutzte die Bibliothek ihres Vaters zum Selbststudium. 1879 wurde sie als Debütantin auf einem Ball in die New Yorker Gesellschaft eingeführt, wie sich das gehörte, schüchtern und im Bewusstsein, dass andere Frauen schöner seien als sie. Und sie heiratete, wenn auch nach damaligem Verständnis spät, mit dreiundzwanzig Jahren, einen zwölf Jahre älteren Mann, den Bostoner Bankier Edward («Teddy») Robbins Wharton. Er konnte bequem von ererbtem Geld leben, und er teilte keine der intellektuellen Leidenschaften seiner Frau. Es war eine arrangierte, für Edith unglückliche Ehe, die Teddy immer wieder brach. Außerdem war er klinisch depressiv, und 1913 , nach achtundzwanzig Jahren, wurde die Ehe geschieden.
    Seit 1907 lebte Edith Wharton mehr oder weniger in Paris und Umgebung, und im Jahr ihrer Scheidung machte sie Frankreich endgültig zu ihrem Zuhause. Auch sie war keine treue Ehefrau; sie hatte seit 1907 eine geheim gehaltene, offenbar sehr leidenschaftliche Affäre mit Morton Fullerton, einem Journalisten der London Times, den sie durch ihren Freund Henry James kennengelernt hatte. Ihre Wohnung in Paris und ihr Haus nördlich der Stadt sowie später ihre Residenz Ch â teau Sainte-Claire in dem Örtchen Hyères in der Provence waren Treffpunkte für ihre intellektuellen Freunde und Bekannten, zu denen neben Henry James auch André Gide und Jean Cocteau zählten. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, gehörte Edith Wharton zu denen, die sich sofort um die Flüchtlinge aus dem Nordosten Frankreichs und aus Belgien kümmerten. Sie reiste an die Front, schrieb Kriegsberichte nach Hause und forderte die Vereinigten Staaten auf, aufseiten der Alliierten dem Krieg beizutreten.
    Ihre Verachtung für die Kreise, die sie in Dämmerschlaf beschreibt, muss man vor dem Hintergrund dieser Kriegserfahrung und ihres – nach dem Krieg fortgesetzten – Engagements für Flüchtlinge, Vertriebene und vor allem die Frauen unter ihnen lesen. In ihren Romanen Ethan Frome , The House of Mirth und The Age of Innocence hatte sie eine Gesellschaft beschrieben, in der Frauen nur die Wahl hatten, in eine standesgemäße Ehe verheiratet oder gesellschaftlich verstoßen zu werden. Die Sympathien der Autorin galten ihren Heldinnen, die in der Falle saßen. Auch Edith Wharton selbst fühlte sich eine Weile lang zerrissen zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an sie als Gastgeberin und Society-Lady und ihrem Wunsch, Schriftstellerin zu sein. In den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts, bevor sie ihre wichtigsten Bücher schrieb, fiel sie über diese unvereinbaren Lebensprinzipien zeitweise in tiefe Depressionen. Für den Weg, den sie schließlich wählte, gab es keine Vorbilder.
    Die Frauen in Dämmerschlaf trifft die volle Verachtung der Autorin. Nicht dass sie für die Männer größere Zuneigung verströmte, doch es sind die Frauen, mit Ausnahme von Nona, die sie mit besonderer Schärfe zeichnet. Eine Scheidung, die in The Age of Innocence einer großen Liebe den Weg hätte bereiten können, wäre sie gesellschaftlich nicht eine solche Katastrophe gewesen, ist nun fast an der Tagesordnung. Die zentrale Figur, Pauline, hat sich ihres ersten Ehemanns entledigt, als klar wurde, dass er hinter ihrem gesellschaftlichen Ehrgeiz zurückblieb. Und dass sie alles dafür tut, die Ehe zwischen ihrem Sohn Jim und seiner Frau Lita zu retten, hat weniger mit ihrem Engagement für die Institution der Ehe zu tun als mit ihrer Furcht, Lita könne in Hollywood eine Filmkarriere in Angriff nehmen und also in Kreise abrutschen, die den New Yorkern zutiefst suspekt waren. Litas Bild auf Plakaten an Häuserwänden! Tiefer könnte in Paulines Augen kein Familienmitglied sinken.
    Mit Ausnahme von Nona – die in einer Art Kassandra-Rolle die Schachzüge der verschiedenen Figuren durchschaut und die ihre Liebe zu ihrem Cousin drangeben muss, weil sie sich, während dessen Frau die Scheidung verweigert, einem Dasein als Mätresse widersetzt – sind
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