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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman
Autoren: Edith Wharton
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Wunsch erzeugte Dämmerschlaf ein Symptom der Zeit – ein Versuch, jedweden Schmerz aus dem Leben zu verbannen, und das zu jedem Preis: Eine der Nebenwirkungen der Droge ist der Verlust der Erinnerung. Ohne Erinnerung aber, ohne historisches Bewusstsein, ist verantwortliches Handeln nicht möglich.
    Edith Wharton, diese scharfzüngige Chronistin des sozialen Lebens ihrer Zeit, verlangte von der Literatur, sich den bürgerlichen Schreckensthemen zu stellen. Das waren zunächst einmal die Tabuthemen der besseren Gesellschaft, die Sexualität von Frauen, der Ehebruch und die Scheidung. In Dämmerschlaf erledigt sie diese Topoi gleichsam nebenbei, ohne ihnen ihre Ernsthaftigkeit zu nehmen. Ihr Zorn richtet sich nicht mehr gegen die Unterdrückung von Glücksmöglichkeiten, nicht mehr gegen repressive Verhältnisse, in denen vor allem die Frauen gefangen sind. Ihr Zorn richtet sich gegen eine Gesellschaft, in der die sofortige Befriedigung jedweden Bedürfnisses oberstes Ziel ist, eine Gesellschaft, die keine Empathie kennt, weil sie das Leiden verleugnet, eine Gesellschaft ohne Gedächtnis, aber mit jeder Menge hygienischer Armaturen.
    Zu den Bewunderern von Dämmerschlaf zählte übrigens auch Aldous Huxley. Er war mehr als dreißig Jahre jünger als Edith Wharton und wurde ein später Freund. Er war der festen Überzeugung, schon in Dämmerschlaf sei die Welt erkennbar, die er in seinem Roman Schöne neue Welt acht Jahre später beschreiben sollte.
    Verena Lueken

EDITORISCHE NOTIZ
    Edith Whartons Roman aus dem Jahr 1927 trägt im Original den Titel Twilight Sleep, ursprünglich eine Lehnübersetzung des deutschen Fachbegriffs «Dämmerschlaf». Dieser bezeichnet eine Anfang des 20. Jahrhunderts in Freiburg im Breisgau entwickelte medizinische Methode zur Unterdrückung von Geburtsschmerzen (vgl. Anm. 7). Allerdings wurde auch das Erinnerungsvermögen an die Geburt hierbei unterdrückt: Die Mütter wachten auf und fanden ihr Kind in seinem Bettchen vor.
    Erstmals auf Deutsch erschien der Roman Twilight Sleep in der Übersetzung von Marie Franzos 1931 bei Paul Zsolnay. Der Verlag entschied sich damals für den Titel «Die oberen Zehntausend» (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen amerikanischen Filmmusical von 1956 , das auf einem Bühnenstück von Philip Barry basierte).
    Bei der vorliegenden Neuübersetzung war es Verlag und Übersetzerin wichtig, die Entscheidung der Autorin für diesen eigenwilligen Titel zu respektieren und ihn daher schlicht rückzuübersetzen. Bezieht er sich doch nicht nur auf die konkrete Dämmerschlaf-Methode, sondern – wie im Nachwort ausgeführt – ganz allgemein auf den halbbewussten Zustand, in dem die Damen der oberen Zehntausend in Edith Whartons Roman ihr Leben verbringen.
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