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Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)

Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)

Titel: Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)
Autoren: Christine Westermann
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allen anderen bedanken, die Woche für Woche irgendwie zum Gelingen der Sendung beitragen, geschätzte zweiundsechzig Menschen aus allen möglichen Abteilungen. Maximal eine Minute hatten die Organisatoren dafür vorgesehen.
    Bei einer Oscar-Verleihung vor ein paar Jahren hat man mit einem interessanten Trick mal versucht, die endlosen Dankesreden auf eine halbwegs erträgliche zeitliche Länge zu zwingen. Nach dreißig Sekunden bewegte sich das Mikrofon, vor dem die Preisträger standen, langsam nach unten, nach einer Minute war es fast schon im Bühnenboden verschwunden, sodass man den Dank an die Oma in Montana auf dem Bauch liegend absolvieren musste, wollte man noch zu hören sein.
    Ich habe mich bei der Verleihung in Marl wirklich beeilt, blieb mit dem Mikro auf Mundhöhe, habe mich bei allen Kollegen herzlich bedankt, stellvertretend zwei mit Namen genannt. Schwerer Anfängerfehler.
    Das Dutzend Kollegen, das mitgereist war, fand das nicht wirklich komisch, warum die und nicht wir, entweder keiner oder alle. Unsere weiteren Begegnungen an diesem Abend fanden in der Gefriertruhe statt.
    Als ich den Grimme-Preis ein zweites Mal bekam, klappte alles perfekt, es gab nur eine Frau, bei der ich mich bedanken wollte. Eine freundliche Sekretärin des Grimme-Instituts, die mir einen zweiten Quirl, ohne großes Aufheben darum zu machen, per Postpaket nach Hause schickte. Das Original war mir wenige Tage nach der Verleihung aus dem Regal gekippt und nicht mehr zu gebrauchen.
     
    Aller guten Dinge sind drei.
    Vor ein paar Jahren bekam ich den Deutschen Radiopreis für das beste Interview, geführt in einer Montagabend-Talksendung bei WDR 2. Da war dann endlich alles perfekt. Der innere Kritiker war mucksmäuschenstill, nur kurz muckte er auf, Du hast auch schon bessere Interviews gemacht, aber geschenkt.
    Ich habe mich gefreut. Den Preis musste ich mit niemandem teilen, es war meine Leistung, mein Interview, ich kann es also. Ich bin gut genug.
    Dass ich den Preis für ein Interview im Radio bekam, hat den inneren Kritiker für eine Weile tatsächlich verstummen lassen. Das hatte einen Grund, der dreißig Jahre zurücklag.
    »Fürs Fernsehen«, sage ich schon mal öffentlich, wenn ich einen großspurigen Tag habe, »kann man mich nachts um drei Uhr wecken. Geht das Rotlicht an, rede ich beschwerdefrei drauflos.«
     
    Beim Rotlicht in einem Radiostudio ist es etwas anderes. Im Radio bin ich zu Beginn einer Sendung unsicher. Ich habe in den ersten Sekunden einen Frosch im Hals, will mich räuspern, die Stimme wackelt, möchte kippen.
    Wäre ich hobbytherapeutisch unterwegs, würde ich sagen kein Wunder, die Seele hat sich etwas gemerkt.
    Und zwar den Rausschmiss bei einer Radiostation, die in den Siebziger-, Achtzigerjahren die beste der Republik war, hochgelobt wurde ob ihrer journalistischen Qualität. Schwierigste Themen wurden verständlich aufbereitet, in Interviews wurden klare, einfache Fragen gestellt, denen selbst die politischen Labermänner nicht entkommen konnten. Wenn sie es versuchten, machten sie sich lächerlich.
    SWF 3 hatte zu dieser Zeit hervorragende Moderatoren, Lichtjahre entfernt von den Hallöchen-sind-wirnicht-total-gut-drauf-Machern, die einen heute aggressiv freundlich und verblüffend altbacken aus dem Radio anplärren.
    Ja klar, merke ich selbst, dass hier etwas sehr verstockt und verdrossen in Richtung »früher war alles besser« geht. Aber was, wenn es früher wirklich besseres Radio gab?
    Ich war damals auf jeden Fall nicht gut genug für SWF 3, ich war dabei, aber gehörte nicht dazu. Wollte so sein wie die anderen Moderatoren, das ging gehörig daneben.
    Hans-Peter Stockinger war der Programmchef von SWF 3, ein hervorragender Journalist, was er sagte, hatte Hand und Fuß, er war ein fairer, allerdings auch ein unerbittlicher Kritiker. Im Studio stand eine Gegensprechanlage. Wenn ich mal wieder ein Interview versemmelt und er es in seinem Büro gehört hatte, konnte es passieren, dass er sich persönlich mit einem »Frau Westermann, was haben Sie sich denn dabei gedacht?« meldete. In den meisten Fällen hatte ich mir nicht viel gedacht, ich war nicht gut, und ich habe es gemerkt. Wie ich besser werden sollte, das wusste ich nicht. Stattdessen war ich leise, in der waghalsigen Hoffnung, dass Fehler sich dadurch dann verspielen würden. Wispermann hieß ich damals.
    »Werfen Sie Ihr Herz über die Mauer«, sagte mir Hans-Peter Stockinger einmal.
    Aber meine Wurftechnik war schlecht, das
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