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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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Umstände, unter denen die Daten genutzt werden.
    JULIAN: O.K., das macht es so beängstigend.
    ANDY: Ich finde das doch sehr hilfreich. Bei Facebook, haben wir immer gesagt, da ist der Nutzer nicht wirklich der Kunde. Der Facebook-Nutzer ist in Wirklichkeit das Produkt, der eigentliche Kunde sind vielmehr die Werbefirmen. Das ist die am wenigsten paranoide, harmloseste Erklärung dessen, was da abläuft.
    Das Problem ist nur, dass du einem Unternehmen ja wohl kaum vorwerfen kannst, dass es sich an die Gesetze des Landes hält. Das nennt man normal; kriminell ist es, wenn eine Firma sich nicht an die Landesgesetze hält. Es ist also ein bisschen unfair, zu sagen: »Hey, die befolgen das Gesetz.« Was soll das denn für ein Vorwurf sein?
    JACOB: Da muss ich aber doch Widerspruch anmelden. Wenn du ein System baust, das alles über eine Person abspeichert, und du weißt, dass du in einem Land mit Gesetzen lebst, mit denen die Regierung dich zwingen wird, diese Informationen herauszurücken, dann solltest du vielleicht nicht diese Art von System bauen. Und das ist der Unterschied zwischen erklärtem und eingebautem Schutz der Privatsphäre. Wenn du Leute als Zielpersonen behandelst in einem Land, in dem auf Menschen Jagd gemacht wird, wenn Facebook seine Server also in Gaddafis Libyen oder in Assads Syrien aufstellt, dann wäre das absolut fahrlässig. Und doch wurde keine der National Security Letters, ich glaube letztes oder vorletztes Jahr, wegen Terrorismusverdacht ausgestellt. Die 250 000 Stück wurden für alles Möglichebenutzt, außer Terrorismus. 68 Wenn man also weiß, dass dies die Realität ist, haben die Unternehmen eine ernstzunehmende moralische Verantwortung, die sich aus der Tatsache ableitet, dass sie dieses System bauen und die ökonomische Entscheidung getroffen haben, ihre Nutzer zu verkaufen. Und das ist nicht mal eine technische Sache. Hier geht es überhaupt nicht um Technologie, hier geht es um Ökonomie. Sie haben beschlossen, dass es wichtiger ist, mit dem Staat zu kollaborieren und ihre Kunden zu verkaufen, deren Privatsphäre zu verletzen und ein Bestandteil des Überwachungssystems zu sein – sich dafür entgelten zu lassen, ein Teil der Überwachungskultur zu sein, der Kultur der Kontrolle –, als sich dagegen zu sträuben, und so werden sie ein Teil davon. Sie sind Komplizen und müssen dafür in die Verantwortung genommen werden.
    ANDY: Ethische Verantwortung ist aktuell nicht gerade ein starkes Verkaufsargument, wie?

MIT DEN GESETZEN DER PHYSIK GEGEN TOTALE ÜBERWACHUNG
    JÉRÉMIE: An diesem Punkt könnte sich die Frage stellen, wie wir – als einzelne Nutzer oder als ganze Gesellschaft – da herauskommen. Einerseits gibt es technische Lösungen: Man kann Dienstleistungen dezentralisieren, jeder kann seine Daten auf einem eigenen Server deponieren, wir suchen uns vertrauenswürdige Anbieter, die uns bei der Datenverschlüsselung helfen und so weiter. Andererseits gibt es da die politischen Optionen, die wir schon angesprochen haben. Ich bin mir nicht sicher, ob sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon die Frage beantworten lässt, welcher der beiden Ansätze der beste ist. Ich glaube, wir müssen beide parallel verfolgen. Wir brauchen freie Software, die jeder verstehen, jeder modifizieren und überprüfen kann, um sicher zu gehen, was sie tut. Ich glaube, freie Software ist eines der Fundamente einer freien Internetgesellschaft, nur mit ihr bietet sich uns die Möglichkeit, unsere Maschinen zu überwachen, statt uns ihnen auszuliefern. Wir brauchen eine leistungsfähige Kryptografie, um sicherzustellen, dass wir private Daten, die von niemand sonst gelesen werden sollen, vor dem Zugriff anderer schützen können. Wir brauchen Werkzeuge wie das Tor-Netzwerk zur Anonymisierung des Datenverkehrs und das Cryptophone, um abhörsicher zu telefonieren, damit wir auch wirklich nur mit den Leuten kommunizieren, mit denen wir sprechen wollen. Aber vielleichtwird die Macht des Staates und einiger Unternehmen immer größer sein als die Macht von Geeks wie uns, womöglich lässt sich das durch unsere Fähigkeit, solche Technologien zu entwickeln und zu verbreiten, nie wettmachen. Es könnte also auch sein, dass wir, während wir diese Technologie schaffen, Gesetze und Werkzeuge in den Händen der Bürger brauchen, um ein wachsames Auge darauf zu haben – wenn auch nicht immer in Echtzeit –, wozu Technologie verwendet wird, und um in der Lage zu sein, diejenigen mit Sanktionen zu belegen,
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