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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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doch als verfassungswidrig herausgestellt, oder nicht?
    JACOB: Möglicherweise nicht. Im Twitter-Fall ist öffentlich, dass unser Antrag auf einstweilige Verfügung abgewiesen worden ist. Darin hatten wir dargelegt, dass die Herausgabe dieser Daten an die Regierung irreparablen Schaden verursachen würde, weil sie diese Informationen nach Erhalt niemals wieder löschen wird. »Tja, nein, Ihre einstweilige Verfügung wird abgewiesen«, hieß es, »Twitter muss diese Daten offenlegen.« Wir sind aktuell in Berufung, insbesondere über die Aktengeheimhaltung – und darüber darf ich nicht sprechen –, aber so wie die Dinge momentan stehen, hat das Gericht erklärt, dass man im Internet keine Privatsphäre erwarten darf, wenn man bereit ist, Informationen an Dritte zu offenbaren. Nebenbei bemerkt: Jeder im Internet ist ein Dritter.
    JULIAN: Und das selbst wenn das Unternehmen, wie Facebook oder Twitter, behauptet, die Daten geheim zu halten.
    JACOB: Sicher, und das ist mit der Verwischung der Grenze zwischen Staat und Unternehmen gemeint. Wahrscheinlich ist das wirklich der wichtigste Aspekt dieser ganzen Angelegenheit, dass nämlich die NSA und Google aus Gründen der nationalen Sicherheit der USA eine Partnerschaft in Cybersicherheit eingegangen sind.
    ANDY: Was auch immer »Cybersicherheit« in diesem Zusammenhang heißen soll. Das ist ein weites Feld.
    JACOB: Staat und Behörden versuchen, das Gesetz zur Informationsfreiheit vollständig zu umgehen und alles geheim zu halten. 65 Außerdem nimmt die Regierung auch das Recht auf administrative Auskunftsanordnungen in Anspruch. Bei diesen Verfügungen ist die Schwelle niedriger als bei Durchsuchungsbefehlen und der zur Auskunft aufgeforderte Dritte erhält einen Maulkorb: Er darf dir nichts davon verraten, und dir wird das Recht verwehrt, gegen die Anordnung zu klagen, weil ja dieser Dritte direkt davon betroffen ist und als solcher keine verfassungsrechtlichen Gründe zum Schutz deiner Daten hat.
    JULIAN: Wobei der Dritte Twitter oder Facebook oder dein Internetanbieter ist …
    JACOB: Oder sonst wer. Das Anwählen eines Telefons ist, behaupten sie, identisch mit der Preisgabe deiner Bankdaten. Du offenbarst der Telefongesellschaft bereitwillig deine Nummer, indem du sie benutzt. Das wusstet ihr, oder? Allein durch die Nutzung des Telefons erklärst du offenkundig: »Ich erwarte keinerlei Schutz meiner Privatsphäre.« Zwischen dem Rechner und deiner Privatsphäre besteht sogar eine noch schwächere Beziehung. Die Leute verstehen nicht, wie das Internet funktioniert – sie kapieren auch nicht, wie Telefonnetze funktionieren –, aber die amerikanischen Gerichte urteilen durchgängig, dass sie es doch wissen. In unserem Twitter-Prozess – über den ich hier leider nicht richtig sprechen darf, weil ich nicht wirklich in einem freien Land lebe – sagt das Gericht bislang praktisch dasselbe. 66
    Es ist absolut verrückt, sich vorzustellen, dass wir unsere gesamten persönlichen Daten Firmen aushändigen, die praktisch zu einer privatisierten Geheimpolizei geworden sind. Und – im Fall von Facebook – haben wir sogar die Überwachung demokratisiert. Statt die Leute für Spitzeldienste zu bezahlen, wie es die Stasi in Ostdeutschland gemacht hat, entlohnen wir sie mittels einer Gratifikationskultur – sie lassen sich jetzt flachlegen. Sie berichten über ihre Freunde: »Hey, der und die sind jetzt zusammen«; »Ach, die und der haben Schluss gemacht«; »Na, ich weiß schon, wen ich jetzt anrufe.«
    ANDY: Es gibt Leute, die haben es geschafft, Facebook zu zwingen, unter Hinweis auf das europäische Datenschutzgesetz sämtliche über sie gespeicherten Daten herauszugeben. Die kleinste Datenmenge waren 350 MB, die größte um die 800 MB. 67 Das Interessante daran ist, dass dabei die Datenbankstruktur von Facebook ans Licht gekommen ist. Bei jedem Einloggen wird die IP-Nummer und alles andere gespeichert, jeder Klick den du machst, wie oft du auf einer Seite gewesen bist, sodass sie davon ausgehen können, dass du sie magst oder nicht magst und so weiter. Herausgekommen ist dabei auch, dass der Schlüsselverweis der Datenbankstruktur das Wort »target« ist. Der Kunde heißt nicht »Abonnent« oder »Nutzer« oder sonst was, er heißt »Zielperson« – ein Ausdruck aus dem Marketing, kannst du sagen.
    JULIAN: Aber intern war es verborgen.
    ANDY: Ja, aber auch beim Militär und im Jargon der Nachrichtendienste spricht man von Zielpersonen. Es ist also nur eine Frage der
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