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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
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Büro?«
    »Aber nein. Das wüsste ich …«, antwortete Medea und fasste ihre langen, roten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Vielleicht auf dem Dachboden? Und was ist mit dem ›x‹ auf der Piazza vor der Scuola Normale? Was könnte dort zu finden sein?«, fragte sie weiter.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, gab Otto zu.
    »Das scheint mir ein perfekter Ausgangspunkt zu sein, mein lieber Neffe. Wirklich perfekt.« Medea sprang auf. »Lass uns gehen.«
    Mit seiner schwarz-weißen Fassade und der von zwei Seiten begehbaren Freitreppe dominierte das Hauptgebäude der Scuola Normale Superiore die Piazza dei Cavalieri. Otto folgte seiner Tante durch das altehrwürdige Portal aus Holz und Glas, begrüßte den Pförtner und ging hinter ihr die linke Treppe hoch, dabei betrachtete er die in Reih und Glied aufgehängten Wappenmedaillons. »Die Mathematikhörsäle befinden sich im zweiten Stock«, erklärte Medea, »und das Reich der Archäologen unter dem Dach.«
    Medea begrüßte einige Kollegen auf dem Gang und fragte, ob Professor Merlitti im Haus sei. Das war der Dozent, der das Büro von Primo Folgore Perotti übernommen hatte.
    Sie traten ein. Merlitti war ein hoch aufgeschossener Mann, mit seinem dünnen Bärtchen machte er einen sympathischen Eindruck. Er stellte Otto Fragen über seinen Großvater, erzählte einige Geschichten, die Otto noch nicht kannte, und zeigte sich aufgeschlossen und hilfsbereit. Dann führte er Otto und Medea durch das Gebäude. Da es auf einen lichtdurchfluteten Innenhof hinausging, wirkte die Atmosphäre freundlich und hell. Eine Viertelstunde später warfen sie erst einen Blick in einen Hörsaal, dann brachte sie Merlitti zur Bibliothek im ersten Stock. Otto war überwältigt von der gewaltigen Anzahl alter Bücher, die dort aufbewahrt wurden. Aber trotz aller Faszination war er ratlos. Wonach sollte er suchen?
    »Gibt es eine Liste, wer wann welche Bücher entliehen hat?«, fragte er. »Ein altes Verzeichnis?«
    Der Professor und Medea wussten sofort, warum er diese Frage stellte. »Suchst du vielleicht nach einer Aufstellung der Bücher, die dein Großvater ausgeliehen hatte?«
    »Genau.«
    »Tja, ich weiß nicht …«, gab Merlitti zu, »wir sprechen von einer Zeit vor fünfzehn Jahren, vielleicht noch weiter zurück.«
    Sie gingen zum Tisch der Bibliothekarin hinüber, die für die Kataloge zuständig war.
    »Natürlich gibt es eine solche Liste«, sagte sie, »aber nicht hier.«
    »Wo sonst?«
    »Zwischen den Bücherleichen«, lautete ihre prompte Antwort.

10
Die Bücherleichen
    E s dauerte eine ganze Weile, bis sie zu einer Tür kamen. Die Bibliothekarin schloss auf und drückte vorsichtig die Klinke herunter. Mit einem lang anhaltenden Quietschen schwang die Tür auf. Im Flur war es ziemlich finster, eine einzige schwache Lampe spendete mattes Licht. Man hörte die Geräusche der Autos, die draußen auf der Straße vorbeirauschten. Eine schmale, wacklige Metalltreppe führte hinunter in ein Kellergeschoss.
    Oder war es ein Bunker?
    Sie standen an der Schwelle zu den Archiven der Universität oder, wie sie von den Professoren und Archivaren genannt wurden, zu den »Bücherleichen«.
    Im Halbdunkel waren nicht enden wollende Regalreihen zu erkennen, wie metallene Skelette, auf denen zum Teil durch Kunststoffhüllen geschützte Bücher unterschiedlicher Größe neben verstaubten Kisten aufgereiht waren.
    »Viel Glück«, lächelte die Bibliothekarin und ließ die Schlüssel klimpern, »und ich möchte Sie bitten …«
    »Sie haben uns nicht hierhergebracht, weil es diesen Ort eigentlich gar nicht gibt«, beendete Medea den Satz für sie.
    »Die Bücher sind chronologisch geordnet, beginnend mit den ältesten Jahrgängen.«
    Sie hatten verstanden und blickten ehrfürchtig auf die Gewölbedecke des Raumes, der sich bis ins Unendliche zu erstrecken schien. Gingen die Archive und Registraturen etwa bis zu Enrico Fermi oder womöglich bis zu Galilei zurück? Denn bevor im Palazzo dei Cavalieri die Universität gegründet wurde, war dort der Sitz der mediceischen Militärakademie gewesen.
    Die Bibliothekarin sah auf die Uhr. »Höchstens eine Stunde, dann muss ich Sie wieder abholen.«
    »Das müsste genügen.«
    Medea schubste Otto die letzten Stufen der schwankenden Treppe hinunter. Die Tür schloss sich hinter ihnen, und sie waren alleine.
    »Hättest du das gedacht?«
    »Nie und nimmer«, antwortete Otto und ging gemeinsam mit seiner Tante zwischen den Regalreihen
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