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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
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die Riemenscheiben wie Straßen, die Bolzen wie die wichtigsten Gebäude der Stadt, die Kabel …
    »Die Kabel!«, rief Otto und erinnerte sich an das Leuchten über dem Kamin, das er beim Betreten der Bibliothek bemerkt hatte. »Die Lichter!«
    Er ging zur Tür und knipste das Licht aus. Das Zimmer war schlagartig in tiefes Dunkel getaucht. Einen Augenblick lang sah Otto gar nichts.
    Er musste seine Ungeduld zügeln und ein bisschen warten, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Dann konnte er das Leuchten über dem Kamin erneut erkennen. Als er näher heranging, wurde ihm klar, dass es von dem Bild ausging.
    »Die Straße …«, flüsterte er.
    Einige Linien waren mit leuchtender Farbe gezogen, die in der Finsternis ganz schwach blau schimmerte. Jeder andere Betrachter hätte sie für vom Künstler kreierte Linien und Farbkleckse gehalten. Jeder, aber nicht Otto, der genauer hinschaute. Sein Herz klopfte jetzt bis zum Hals, sein Mund war staubtrocken. Wenn das Bild ein Stadtplan war, dann zeigten die phosphoreszierenden Linien … eine Straße?
    »Das ist der Turm von Pisa …«, begann Otto von Neuem und ging von dem einzigen Fixpunkt aus, den er eindeutig identifiziert hatte. Mit dem rechten Zeigefinger fuhr er auf der blauen Linie vor und zurück. »Das ist der Corso Santa Maria … die Via dei Mille …«
    Dann mündete die Linie in einen kleinen Kreis mit einem »x« im Zentrum. Der klassische Hinweis auf etwas Besonderes, wie das Versteck auf der Schatzkarte eines Piraten.
    Was ist dort? , sinnierte Otto und versuchte sich den Weg vor seinem inneren Auge vorzustellen.
    Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Die Piazza dei Cavalieri!«
    Der Rest erklärte sich selbst.
    An der Piazza dei Cavalieri befand sich die Scuola Normale Superiore. Und an dieser Hochschule hatten sein Großvater Primo und sein Ururgroßvater Atamante viele Jahre als Professoren unterrichtet.

11
Archäologie
    H allo? Mit wem spreche ich, bitte?«
    »Ich bin’s, Tante.«
    »Hallo Otto, wie geht’s?«, begrüßte ihn Medea, jetzt mit verändertem Tonfall.
    Die Stimme klang entfernt, aber trotzdem präsent, selbstbewusst und lebhaft. Und genau diese Dominanz war es, die seine Mutter so ärgerte. Tante Medea war Single, unabhängig und optimistisch. Die Gesellschaft von Männern schätzte sie durchaus, aber ihre Leidenschaft war meilenweit entfernt von Haushalt, Kindern, Bügeleisen, Waschmaschine und allem anderen, was den Alltag der meisten ihrer Altersgenossinnen ausmachte. Ihr Leben drehte sich um etwas ganz anderes: Die Forschung nach alten Büchern, die Bestimmung ihres Wertes, die Organisation von Ausstellungen …
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Ist etwas passiert?«
    »Nein. Das heißt, ja. Es geht um Opa.«
    »Ich verstehe …«
    »Nein, ich glaube nicht, dass du das wirklich verstehen kannst. Aber ich brauche Hilfe, und ich dachte … nun, ich dachte, du könntest die Richtige dafür sein.«
    »Wofür brauchst du Hilfe?«
    »Du unterrichtest doch noch an der Scuola Normale, oder?«
    Einen Augenblick lang schien Medea überrascht. Diese Frage hatte sie nicht erwartet, so unvermittelt. »Sicher unterrichte ich dort noch. Hmm, dürfte ich erfahren, warum … Moment mal, steckt etwa dein Vater dahinter? Hat er dich gebeten mich zu überzeugen, keine Sponsorengelder für unsere Ausstellung über Schiffe aus der römischen Zeit zu beantragen?«
    »Aber nein«, stellte Otto sofort klar, »Papa weiß nicht einmal, dass ich dich anrufe.«
    »Hmm … Dann steckt also etwas anderes dahinter.«
    »Ja, aber ehrlich gesagt weiß ich selbst nicht genau, worum es geht.«
    »Etwa um ein Mädchen?«
    »Nein, wo denkst du hin! Tatsächlich geht es … Ach, ich weiß auch nicht! Ich möchte gerne einen Blick … in die Hörsäle und auch in die Bibliothek werfen. Es gibt doch eine Bibliothek, oder?«
    »Otto …?«
    »Ja?«
    »Raus mit der Sprache. Was steckt dahinter? Warum willst du in die Universitätsbibliothek?«
    Otto biss sich auf die Lippen. Bis zu diesem Augenblick hatte er gedacht, Medea wäre die ideale Vertraute, mit der er das Geheimnis seines Großvaters teilen könnte. Aber jetzt, als es darum ging, die Karten auf den Tisch zu legen, fühlte er sich plötzlich unsicher und kam sich vor wie ein dummer Junge.
    »Hör mal … Können wir nicht … an einem anderen Ort darüber reden … nicht am Telefon?«, fragte er.
    Seine Tante lachte, ihre Neugier war geweckt: »In Ordnung, du willst es mir also nicht
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